Auf dem Weg zur vertrauenswürdigen „Digital Economy of Everything“
Man stelle sich eine Welt mit vernetzten Geräten vor, die nicht nur Daten in die Cloud hochladen, sondern tatsächlich Werte erzeugen und diese Werte mit Menschen und anderen Dingen und Maschinen austauschen. Willkommen in einer Economy of Things, kurz EoT. Das Team des gleichnamigen strategischen Vorausentwicklungsprojekts unter der Leitung von Nik Scharmann geht der Frage nach, wie ein dauerhaft wirtschaftlich erfolgreiches digitales Ökosystem aufgebaut sein muss, damit vernetzte Geräte im Sinne von Bürgern und Unternehmen untereinander sichere und vertrauenswürdige Geschäfte durchführen können. „Es geht um die datenschutzkonforme Nutzbarmachung von organisationsübergreifenden Daten, aber eben nicht nur im Sinne ihrer direkten Monetarisierung, sondern im Sinne von Datenerkenntnissen, mit denen Interaktionen und Prozesse im Alltag und in der Industrie verbessert werden“, so Nik Scharmann. Doch wie und wo würde ein Fahrzeug eigenständig einen geeigneten Parkplatz suchen und finden? Wie würden sich Auto und Stellplatz eigentlich über die Geschäftskonditionen abstimmen? Wie würden sie das Geschäft und den Bezahlvorgang ausführen? Der Anspruch des Forschungsteams: Was für den Mobilitätssektor denkbar ist, lässt sich auch auf die produzierende Industrie, Energie- und Konsumentenmärkte übertragen. Mensch und Maschine interagieren wirtschaftlich im digitalen Raum, oder eben auch Maschine und Maschine. Im Prinzip alles mit allem, jeder mit jedem.
Hand in Hand mit der KI
Dabei wird Künstliche Intelligenz (KI) eine immer größere Rolle spielen: „Sichere und vertrauenswürdige Berechnungen mit von mehreren Unternehmen und Akteuren bereitgestellten Daten sind der Schlüssel zum Erfolg verteilter Daten. Schließlich sollen sowohl die eingespeisten Rohdaten als möglicherweise auch das daraus entstehende Datenmodell vertraulich bleiben“, so Nik Scharmann. „Unserer Ansicht nach ist kollektives Lernen auf Basis dezentraler Technologien wie DLT ein entscheidender Faktor, um eine digitale Sozioökonomie wirtschaftlich effizient zu gestalten.“
Dezentral? Zentral? Ausbalancierte Organisation und Technik
Klar, für eine Economy of Things braucht es Schlüsseltechnologien und -konzepte. Doch viel mehr noch einen Weg, alle Akteure so zu steuern, dass der Nutzen des Ökosystems für alle im Vordergrund des Handels steht. Damit eine Ökonomie der Dinge offen, neutral und nachhaltig betrieben werden kann und ohne monopolähnliche Plattformbetreiber auskommt, braucht es ein Regelwerk für alle Teilnehmer des Netzwerks (Good Governance), in dem die notwendige Struktur und der Prozess der Zusammenarbeit transparent dargelegt ist. Die Regeln der Governance werden durch Verträge festgeschrieben und sichern der Kooperation so Rechtssicherheit und Stabilität. Die große Kunst ist, die optimale Balance zu finden zwischen Veränderung und Festlegung des Regelwerks. „Damit ein kooperativer Datenraum robust ist, brauchen wir sowohl eine technische als auch organisatorische Dezentralisierung“, so Nik Scharmann und präzisiert: „Eine vollkommen dezentrale Organisation trifft realistischerweise keine Entscheidungen, weil die Prozesse zu komplex wären. Und eine gänzlich dezentrale technische Infrastruktur wäre wohl zu teuer und zu langsam, um wettbewerbsfähig zu sein.“ Eine vertrauenswürdige Organisation sollte es also schaffen, sowohl die Entscheidungsgewalt innerhalb einer Organisation auf mehrere Parteien aufzuteilen, als auch den Betrieb der technischen Infrastruktur so gut zu verteilen, dass sie unabhängig aber effizient betrieben werden kann.
Schlüsseltechnologien und -konzepte
wie Blockchain für die Geschäftsabwicklung (bspw. via Smart Contracts) auf dezentralen Marktplätzen
als dezentraler Ansatz, um Nutzungsrechte und Bezahlsysteme (krypto-ökonomische Tokens) an gemeinschaftlichen Plattformen digital abzubilden
als dezentrales Identitätssystem für Datenschutz und Datenhoheit von (juristischen) Personen und Dingen
für verschlüsselte, automatisierte Mehrparteien-Berechnung auf dezentralen Marktplätzen
als Softwareagenten, die im Auftrag der Dinge und ihrer Eigentümer selbständig auf dezentralen Marktplätzen agieren
als Ansatz für kollaboratives Lernen – auf dezentralen Plattformen möglich in Kombination mit Blockchain-Technologie
Forschungsrahmen und -ziel
In folgende kollaborative Datenraumprojekte bringt Bosch Research seine umfassende Expertise für Good Governance, KI, dezentrale Technologien und offene Marktplätze ein:
GAIA-X ist ein Projekt zum Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa, das von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung aus Deutschland und Frankreich, gemeinsam mit weiteren europäischen Partnern getragen wird. Gemeinsame Anforderungen an eine europäische Dateninfrastruktur sollen dabei entwickelt werden.
Catena-X versteht sich als ein schnell skalierbares erweiterbares Ökosystem, an dem sich alle Teilnehmer der automobilen Wertschöpfungskette gleichermaßen beteiligen können. Das Ziel: Die Bereitstellung einer Umgebung für den Aufbau, Betrieb und die kollaborative Nutzung durchgängiger Datenketten entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette zu schaffen.
Das Ziel des IDUnion-Konsortiums ist der Aufbau eines offenen Ökosystems für die dezentrale Identitätsverwaltung, welches weltweit nutzbar ist und sich an europäischen Werten und Regularien orientiert. Jeder hat damit die Möglichkeit, seine Identitätsinformationen selbst zu verwalten und zu entscheiden, wann und mit wem er diese teilen möchte. Die Hoheit über die eigenen Daten ist wichtig, speziell wenn es um sehr sensible und persönliche Informationen geht.
Ziel des öffentlich geförderten Projekts iBlockchain ist es, auf Blockchain-Technologien basierende Lösungen für industrielle Anwendungen umfassend und systematisch zu erforschen. Das Projektteam analysiert und bewertet hierzu sowohl die technischen als auch die ökonomischen Grundlagen. Es werden geeignete Blockchain-Protokolle sowie Smart Contracts untersucht.
Große Kooperationsprojekte rund um Datenplattformen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass klassische Organisationsstrukturen nicht hilfreich sind, um langfristig wirtschaftlich effizient zu arbeiten. Gleichzeitig können vollständig dezentralisierte digitale Plattform keine Organisation ersetzen! Deshalb ist es das Forschungsziel, technische Dezentralisierung und zentrale Steuerungsorgane im Sinne eines optimalen ökonomischen Systems zu kombinieren.
Governance-Prinzipien der Ökonomie der Dinge
Offenheit
Die Kooperation steht allen Teilnehmern offen.
Neutralität
Kein einzelner Teilnehmer soll die Kooperation dominieren.
Transparenz
Geschäftsmodell, Organisationsstruktur und Entscheidungsprozesse innerhalb der Kooperation sind zu jeder Zeit für alle Teilnehmer transparent.
Integrität
Die Teilnehmer werden eindeutig identifiziert – unter Einhaltung des Datenschutzes.
Souveränität
Es gibt keine existenzielle Abhängigkeit der Teilnehmer von der Kooperation.
Nachhaltigkeit
Kern des Handelns ist es, gemeinsam definierte übergeordnete Ziele zu erreichen.
Strategischer Blickwinkel
Bosch will seinen Wettbewerbsvorsprung durch vielseitige Erfahrungen in der Kombination von IoT und KI für künftiges Geschäft nutzen. In den kommenden Jahren sieht Bosch einen Milliarden-Umsatz mit KI-fähigen Produkten voraus. Bosch Research verknüpft den IoT- und KI-Ansatz mit DLT-basierten Ökosystemen.
Zusammenfassung
Bosch Research arbeitet gemeinsam mit Partnern an der Vision, wirtschaftlich erfolgreiche digitale Ökosysteme aufzubauen, die dank ihres dezentralen Ansatzes offen, fair und transparent sind – und zugleich datenschützend und datensicher. Diese Entwicklung wird als demokratisiertes Web, Web 3.0 oder als Kryptobewegung bezeichnet. Unternehmen wie Bosch zielen folglich nicht auf Plattformdominanz ab, sondern beispielswiese auf die Schaffung wettbewerbsfähiger IoT-Lösungen. Die Plattform selbst wird dabei gemeinschaftlich als digitale Infrastruktur genutzt.
Forschungsupdates
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Nik Scharmann