Innovative Lösungen zur Abscheidung von CO₂ aus der Atmosphäre
Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist das bloße Vermeiden von CO₂ nicht mehr ausreichend. Aus diesem Grund widmet sich Bosch Research intensiven Forschungen, um aktiv CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen.
Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Zahlreiche Studien zeigen: Das Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015¹, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2050 auf unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wird durch reines Reduzieren und Vermeiden von CO₂-Emissionen nicht mehr zu erreichen sein. Was die Menschheit zusätzlich braucht, sind sogenannte negative CO₂-Emissionen, also die Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre – unabhängig davon, wann und wo es emittiert wurde. Derzeit werden weltweit pro Jahr rund 40 Gigatonnen CO₂ ausgestoßen. Der Weltklimarat (engl.: Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) fordert eine CO₂-Neutralität um das Jahr 2050. Eine Dekarbonisierung von Energieversorgung und Mobilität sowie die CO₂-Vermeidung durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen insbesondere in Industrieprozessen sind dafür die wichtigsten Vehikel. Dennoch verbleibt rund ein Viertel der derzeitigen globalen CO₂-Emissionen, also rund 10 Gigatonnen, als Restemissionen. Um diese zu kompensieren, muss das CO₂ direkt aus der Atmosphäre entnommen und permanent gespeichert werden.
Dass Handlungsbedarf besteht, ist politischer Konsens: Mit dem europäischen Green Deal etwa wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten rechtsverbindlich bis 2050 klimaneutral werden. Das Zwischenziel ist eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990. Aus diesem Grund arbeiten die Expertinnen und Experten von Bosch Research intensiv an Lösungen, um CO₂-Emissionen zu vermeiden oder, falls sie sich nicht vermeiden lassen, CO₂ aus der Luft zu entnehmen. Nach dieser Abscheidung muss das CO₂ abtransportiert und letztlich verwendet oder permanent gespeichert werden. Derzeit fokussiert sich Bosch Research auf die Evaluation verschiedener Abscheidetechnologien, die gut zu den Kompetenzen und dem Kerngeschäft von Bosch passen.
CO₂-Abscheidung: Ein Ziel, verschiedene Lösungen
Um CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen (engl.: Carbon Dioxide Removal, CDR), gibt es zahlreiche unterschiedliche Herangehensweisen. Unter „natürlichen Lösungen“ (engl.: Nature-based Solutions, NBS) versteht man Maßnahmen, die sich auf den Schutz, Wiederaufbau und das nachhaltige Management von Ökosystemen konzentrieren. Dazu gehört beispielsweise das Aufforsten von Wäldern, die der Luft auf natürlichem Wege das CO₂ entziehen, ebenso wie die Renaturierung von Mooren, die in hohem Maße Kohlenstoff binden.
Zu den technischen Lösungen zählt die Methode des Direct Air Capture (DAC), bei der CO₂ direkt aus der Luft entnommen wird. Andere Technologien fangen das CO₂ direkt dort ein, wo es ausgestoßen wird, beispielsweise in Kohle- oder Gaskraftwerken. Bosch Research sieht derzeit viele Vorteile bei der DAC-Technologie, unter anderem die Skalierbarkeit und die Standortflexibilität.
„Staubsaugen“ für die Atmosphäre: CO₂ dauerhaft aus der Luft entfernen
Bosch Research forscht also an Technologien, mit deren Hilfe CO₂ aus der Umgebungsluft abgeschieden werden kann. Derzeit forschen die Expertinnen und Experten von Bosch Research vornehmlich an der sogenannten LT-DAC-Methode (LT steht für engl.: low-temperature). Sie funktioniert vereinfacht gesagt wie ein riesiger Staubsauger, der große Mengen Luft aus der Umgebung aufnimmt. Viel Volumen ist notwendig, denn der CO₂-Anteil der Umgebungsluft beträgt derzeit etwa 0,04 Prozent. Die Luft wird in drei Schritten verarbeitet: Durch einen Ventilator wird die Luft ins Innere des Kollektors eingesogen, wo sie eine Kammer mit einem CO₂-aufnehmenden Material durchströmt, an das sich die CO₂-Moleküle anlagern. Ist das Material mit CO₂ gesättigt, schließt sich die Kammer. Anschließend wird sie auf etwa 100 Grad Celsius erhitzt. Dabei wird das konzentrierte Kohlendioxid wieder abgegeben. Nun kann es separiert und weiterverwendet oder permanent gelagert werden.
Neben den passenden technologischen Lösungen evaluieren wir in der Bosch Forschung Markteinstiegsszenarien sowie mögliche Partner rund um die Abscheidung von CO₂. Denn während der Preis für CO₂ in den kommenden Jahren beständig steigen wird, werden die Kosten für DAC-Anlagen weiter sinken. Auch die Forschung um die Nutzung von CO₂ als Rohstoff für industrielle Anwendungen ist in vollem Gange.
CO₂ in Zahlen²
66 %
CO₂ trägt in der Reihe der sogenannten Klimagase mit etwa 66 Prozent am stärksten zur globalen Erwärmung bei. Es folgen Methan (CH₄) mit etwa 16 Prozent und Lachgas (N₂O) mit rund 7 Prozent.
45 %
Der Anstieg der CO₂-Konzentration in der Atmosphäre seit Beginn der Industrialisierung beträgt 45 Prozent.
+ 1,2 °C
Der globale Temperaturanstieg betrug im Jahr 2020 etwa 1,2 °C gegenüber dem Zeitraum 1800 bis 1900.
< 2 °C
Nach dem Pariser Abkommen von 2015 soll die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst unter 1,5 °C beschränkt werden.
4,6 %
Der kumulierte Anteil von Deutschland an den globalen Treibhausgasemissionen seit 1850 beträgt etwa 4,6 Prozent.
¹ Quelle: IPCC AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023
² Quelle: IPCC AR6 Synthesis Report: Climate Change 2023