Dr.-Ing. Marina Keller
Modellierung, Simulation und Auslegung von Elektroantrieben für künftige Elektromobilitätslösungen von Bosch
Ich arbeite seit 2017 bei Bosch Research in der Gruppe Electric Drives and Electric Machines. Ich beschäftige mich mit der Simulation und Auslegung elektrischer Antriebsstränge. Dies beinhaltet Traktionsmotoren für Elektroautos, aber auch Lenkantriebe, E-Bike-Motoren oder elektrifizierte Bremssysteme. Der aktuelle Fokus meiner Arbeit liegt auf der Modellierung und Bewertung von elektrischen Isolationssystemen in Traktionsmaschinen im Umfeld steigender Batteriespannungen und deren Speisung mit schnell schaltender Leistungselektronik.
Erzählen Sie doch mal: was fasziniert Sie an der Forschung?
Forschung heißt, dass man zu Beginn noch nicht weiß, wo man am Ende landet. Es gibt keine fertige Lösung, die sicher zum Ziel führt. Es ist zwar nicht immer angenehm, dass man manchmal einen Umweg gehen muss oder in einer Sackgasse landet. Doch wenn man dann eine Lösung gefunden hat, ist das ein tolles Gefühl. Solch eine Arbeit kann eigentlich gar nicht eintönig werden, denn man arbeitet sich ständig in neue Themengebiete ein, probiert neue Lösungsansätze, reizt neue Technologien aus, lernt jeden Tag etwas dazu.
Was macht die Forschung bei Bosch besonders?
Der Fokus in der Forschung bei Bosch liegt klar auf der Entwicklung besserer, aber auch wirtschaftlicherer Produkte. Der Unterschied zur akademischen Forschung ist dabei, dass Bosch die komplette Spanne von Forschung bis Fertigung abdeckt. Zum Beispiel gibt es bei einer elektrischen Achse starke Wechselwirkungen zwischen Elektronik, Magnetik, Thermik, Mechanik, Regelungstechnik, Akustik und Fertigungstechnik. Bei Bosch gibt es zu all diesen Bereichen ausgewiesene Expertinnen und Experten, die interdisziplinär zusammenarbeiten, um so das Optimum herauszuholen.
Woran forschen Sie bei Bosch?
Ich beschäftige mich aktuell mit der Auswirkung steiler Spannungsflanken auf das Isolationssystem elektrischer Traktionsmaschinen. Eine wichtige Zielgröße ist der Wirkungsgrad des elektrischen Antriebsstranges. Der aktuelle Trend geht deshalb hin zu höheren Batteriespannungen und zur Verwendung neuartiger Leistungshalbleiter auf Basis von Siliziumkarbid- und Galliumnitrid-Technologien. Diese können deutlich schneller schalten und belasten dadurch das elektrische Isolationssystem der E-Maschine stärker. Ich arbeite an Modellen zur Vorhersage der Belastung und Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme. Dadurch soll auch eine Überdimensionierung vermieden werden, damit Bosch kostengünstige Lösungen anbieten kann.
Was sind die größten wissenschaftlichen Herausforderungen in Ihrem Forschungsfeld?
Wie bei allen Lebensdauermodellen ist es unmöglich, die Alterung unter realen Bedingungen zu messen. Diese Daten werden uns erst in einigen Jahren oder gar Jahrzehnten vorliegen. Eine große Herausforderung ist also die Projektion in die Zukunft auf Basis der Daten von heute. Genauso unmöglich, weil viel zu teuer, wäre es, Hunderte von Motoren zu altern. Die Daten können nur an abstrahierten Teilmodellen gewonnen werden. Darüber hinaus unterliegt die Alterung sehr vielen Einflussfaktoren wie Betriebsparameter, Umwelteinflüsse oder fertigungsbedingte Parameter. Es ist quasi unmöglich, ein geschlossenes Modell für all diese Faktoren zu finden. Die Herausforderung liegt also im Modellieren des Unkonkreten mittels sinnvoller Vereinfachungen und in der Konzentration auf das Wesentliche.
Wie werden Ihre Forschungsergebnisse zu “Technik fürs Leben”?
Ich fahre seit Kurzem selbst ein Elektroauto und stelle mir manchmal vor, wie beim Beschleunigen an der Ampel der Inverter im Fahrzeug mehr als 10.000-mal pro Sekunde die 400-V-Batteriespannung ein- und ausschaltet, während mehrere 100 A Strom aus der Batterie durch die Leistungselektronik in die Wicklungen der E-Maschine fließen. Und das alles funktioniert bei Eis und Schnee genauso wie bei 38 Grad Hitze und Sonnenschein, während ich unbedarft weiter über Schlaglöcher rumple. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine herausragende Ingenieursleistung! Ich hoffe, meine Forschung trägt dazu bei, dass diese Technologie auch in Zukunft dem schon von Robert Bosch eingeforderten hohen Anspruch an Zuverlässigkeit genügt und die Elektromobilität weiter vorantreiben wird.
Lebenslauf
Seit 2017
Research Engineer bei Bosch Research in der Gruppe Electric Drives and Electric Machines
2011
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promotionsstudentin am Institut für Elektrische Energiewandlung an der Universität Stuttgart
2011
Dipl.-Ing. Elektrotechnik und Informationstechnologie an der Universität Stuttgart, mit Schwerpunkt Leistungselektronik und Steuerungstechnik
Ausgewählte Publikationen
T. Petri et al. (2022)
- Timo Petri, Marina Keller, Nejila Parspour
- Institute of Electrical and Electronics Engineers
M. Keller et al. (2022)
- Marina Keller, Marcel Maier, Timo Petri, Nejila Parspour
- Institute of Electrical and Electronics Engineers, Sorrento, Italien
M. Keller (2019)
- Marina Keller
- Dissertation , Shaker Verlag, ISBN: 978-3-8440-6990-7
S. Müller et al. (2017)
- Samuel Müller, Marina Keller, Marcel Maier, Nejila Parspour
- Institute of Electrical and Electronics Engineers, Juiz de Fora, Brasilien
Ihr Kontakt zu mir
Dr.-Ing. Marina Keller
Modellierung, Simulation und Auslegung von Elektroantrieben für künftige Elektromobilitätslösungen von Bosch