Dr.-Ing. Thomas Michalke
Projektleiter Automatisierte Fahrsysteme für den dichten Verkehr auf Autobahnen, Landstraßen und in Innenstädten
Seit 15 Jahren beschäftige ich mich als Systemingenieur mit den Herausforderungen des automatisierten Fahrens. Im Rahmen meiner Promotion mit dem Honda Research Institute in Offenbach habe ich zusammen mit einem interdisziplinären Team an den Wurzeln der menschlichen Intelligenz und der Plastizität des menschlichen Hirns geforscht. Als erlebbare Anwendung meiner Arbeiten um ein "brain-like" bzw. "human-like" arbeitendes System ist ein „Attentive Co-Pilot“ entstanden, der den Menschen in seiner Fahraufgabe unterstützt. Als Trainee der Daimler AG mit Fokus auf Forschung und Entwicklung für das automatische Fahren habe ich die Sichtweisen eines Fahrzeugherstellers intensiv kennengelernt. Dessen herausfordernde Aufgabe besteht in der robusten Integration von zahlreichen Hardware- und Software-Modulen in das Komplettsystem Fahrzeug. Unterschiede in der Unternehmenskultur und der stärkere algorithmische Fokus eines führenden Zulieferers haben mich zu Bosch und in die Forschung geführt. Dank signifikanter Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens kann ich hier an die Gedankenwelt meiner Promotion anschließen und dabei unterstützen, unsere Mobilität mit „Technik fürs Leben“ in die Zukunft zu führen.
Erzählen Sie doch mal: was fasziniert Sie an der Forschung?
Unsere Aufgabe als Forscher ist es, frühzeitig neuartige, disruptive Technologien zu erkennen, indem wir deren Potenzial zur Lösung alltäglicher Probleme untersuchen. Disruptive Technologien, wie zum Beispiel das maschinelle Lernen verändern alles. Sie verändern die Welt, da sie alte Lösungen obsolet machen. Sind wir hier als Bosch schnell, können wir eine solche Technologie im Austausch mit der internationalen Community gezielt mitgestalten. Unsere Kolleginnen und Kollegen im Geschäftsbereich profitieren vom in der Bosch Forschung entstandenen Erfahrungswissen und gießen es in spannende Produkte, die die Welt besser machen und unsere Kundinnen und Kunden begeistern. Ein Beispiel aus der Praxis: Technologien zum automatisierten Fahren in der Kleinwagenklasse mittels kostengünstiger Sensorik wurden in der Forschung vorentwickelt. Die von uns als leistungsfähig bewerteten Algorithmen werden aktuell von den Entwicklern in der Geschäftseinheit in die nächste Steuergerätegeneration integriert. Somit werden unsere Forschungsergebnisse millionenfach dazu beitragen, das Fahren im Kleinwagensegment sicherer zu machen.
Was macht die Forschung bei Bosch besonders?
Anders als in einer universitären Grundlagenforschung steht in der industriellen Forschung immer sehr früh die konkrete Anwendung im Zentrum. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wir im Vergleich zu den relevanten industriellen Wettbewerbern große kreative Freiheiten besitzen und auch um die Ecke denken können. Hierbei ist auch unsere großartige Unternehmenskultur ein entscheidender Erfolgsfaktor. Und anders als eine universitäre Forschung endet die Arbeit nicht bei einer mathematisch fundierten, theoretischen Problemlösung – also einem „Stapel Papier“. Wir sind erst fertig, wenn die Lösung real umgesetzt ist, prototypisch im Realverkehr erprobt, in allen Eigenschaften bewertet sowie verstanden ist. Dieser Zyklus aus Theorie, Umsetzung und Erprobung fasziniert mich jeden Tag neu und ist in dieser Qualität im Industrieumfeld einzigartig.
Woran forschen Sie bei Bosch?
Ich leite ein schlagkräftiges Projektteam in der Bosch Forschung, das sich mit dem automatisierten Fahren im dichten Realverkehr beschäftigt. Wir beantworten z. B. die Frage, wie automatisierte Fahrzeuge handeln müssen, um sich beim Auffahren auf eine stark befahrene Autobahn eine Lücke zu erzwingen. Beim Lösen derartiger Szenarien scheitern aktuelle kommerzielle Lösungen. Bei Unsicherheit, welche Lösung die beste ist, erfolgt eine frühe Umsetzung und Erprobung in Simulation – und was entscheidender ist, auch im Realverkehr. „Da draußen“ lernen wir bedeutend effizienter als am Reißbrett, an welchen Szenarien und Technologiefeldern wir im Bereich der Forschung arbeiten müssen.
Was sind die größten wissenschaftlichen Herausforderungen in Ihrem Forschungsfeld?
Forschungsbedarf gibt es z. B. im Bereich leistungsfähiger Prädiktionsansätze zur Situationsanalyse in komplexen Verkehrsszenarien. Was bedeutet das in der Praxis? Kommerziell verfügbare, automatisierte Fahrsysteme sind beschränkt auf einfache, wenig komplexe Verkehrssituationen wie dem Folgen eines Fahrzeugs auf der Autobahn. Diese Systeme kommen an ihre Grenzen, sobald es zu einer Interaktion mehrerer Verkehrsteilnehmer kommt. Als Mensch interpretieren wir Szenarien und sehen die zukünftige Bewegung anderer Fahrzeuge unter Nutzung komplexer, gelernter Verhaltensmodelle voraus. Auf einen Blick können wir ableiten, dass ein entspannt fahrender Kleinwagen im Windschatten eines Lkw bleibt – der dynamische Handwerker-Kombi jedoch eher nicht. Diese und weit komplexere innerstädtische Prädiktionsaufgaben müssen wir mittels technischer Algorithmen auflösen, um die menschliche Performanz beim Steuern eines Fahrzeugs zu erreichen oder zu übertreffen. Hierbei helfen uns maschinelle Lernverfahren, deren Einsatz uns einem vollautomatisierten System näherbringt.
Wie werden Ihre Forschungsergebnisse zu “Technik fürs Leben”?
In enger Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen der Geschäftseinheiten und auf Basis unseres Erfahrungswissens identifizieren wir Problemfelder, für die es Forschungsbedarf gibt und in denen wir die dafür notwendigen Technologien erstellen und bewerten können. Da wir als Forschende das Potenzial neuartiger Technologien im Realverkehr nachweisen können, gelingt auch der Transfer der Ergebnisse an den Geschäftsbereich. Oft unterstützt die Forschung auch bei der Übernahme der Software ins Zielsystem, etwa durch Beantwortung von technischen Rückfragen oder Code-Reviews. Gelegentlich unterstützen wir die Geschäftseinheiten auch bei der Kundenakquise durch Fahrdemonstrationen für Erstausrüster, mit denen wir die Systemkompetenz von Bosch entlang der kompletten Kette eines automatisierten Fahrsystems aufzeigen können.
Lebenslauf
Seit 2011
Entwicklung automatisierter Fahrsysteme, Forschungsingenieur Bosch
2009 bis 2011
F&E für Advanded Driver Assistance Systems und Automatisiertes Fahren, Trainee Daimler AG
2006 bis 2009
Entwicklung automatisierter Fahrsysteme, Forschungsingenieur Honda Research Institute
2006 bis 2009
Robotik und Automatisierungstechnik, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, TU Darmstadt, Lehrstuhl Adamy
Ausgewählte Publikationen
Thomas Michalke et al. (2011)
- Thomas Michalke, Robert Kastner
- IEEE Intelligent Transportation Systems Magazine
- DOI: 10.1109/MITS.2011.941911
Thomas Michalke et al. (2013)
- Thomas Michalke, Claudius Gläser, Lutz Bürkle, Frank Niewels
- IEEE Intelligent Transportation Systems Conference
- DOI: 10.1109/ITSC.2013.6728550
Thomas Michalke et al (2018)
- Thomas Michalke, Frank Niewels, Lutz. Bürkle, Thomas Glaser, Thomas Gussner, Gernot Schröder, Thomas Lich
- Vieweg Teubner, 29. Auflage
- ISBN 978-3-658-23583-3
Thomas Michalke (2010)
- Thomas Michalke
- Fortschritt-Berichte VDI, Ph.D. dissertation, Reihe 12, Nr. 718, VDI Verlag GmbH
Ihr Kontakt zu mir
Dr.-Ing. Thomas Michalke
Projektleiter Automatisierte Fahrsysteme für den dichten Verkehr auf Autobahnen, Landstraßen und Innenstadt