Die Bosch-Zündung für Motorfahrzeuge
Werkmeister Arnold Zähringer fand einen Ausweg
Die „Bosch-Magnetzündung“ war 1897 ein Hightech-Produkt, ohne Vorbild, wegweisend und serienfähig. Die Fahrzeughersteller hatten nun endlich Zündsysteme, die das Automobil zum alltagstauglichen Transportmittel machten. Das neue Produkt bahnte der kleinen Hinterhofwerkstatt von Robert Bosch den Weg zum internationalen Unternehmen.
Wer hätte das gedacht? Binnen eines Jahrzehnts machte eine Innovation Bosch zum führenden Anbieter für Automobilzündung, auf allen Kontinenten. Es war schlicht eine geniale Idee: die Anwendung eines Allerweltsprodukts an anderer Stelle, dort, wo man es dringend braucht, im Automobil. Die Bosch-Magnetzündung beseitigte ein entscheidendes Hindernis für den Erfolg der neuen Motorfahrzeuge: die bisher unzuverlässige Zündung des Kraftstoffs in Motoren. Bosch hat den späteren Erfolg 1897 wohl noch nicht geahnt, aber beginnen wir von vorn.
Bis Mitte der 1890er Jahre musste Bosch mit einer unsicheren Geschäftslage leben, ein Auf und Ab als Feinmechaniker, der reparierte und installierte, wie unzählige andere Kleinbetriebe in Stuttgart auch. Stabilität und bescheidenes Wachstum kamen erst, als es eine Stromversorgung gab: Nachdem 1895 das erste Elektrizitätswerk in Stuttgart angelaufen war, konnte Bosch seine Dienste in der Elektrotechnik anbieten: Elektrisches Licht installieren, das konnte eben nicht Jeder. Die Belegschaft stabilisierte sich bei knapp 20 Leuten: Beim Betriebsausflug 1896 passten noch alle Boschler an den großen Tisch einer Gastwirtschaft.
Der große Erfolg bahnte sich an, als um 1895 mehrere Automobilpioniere ein beliebtes Produkt aus Boschs Werkstatt für ihre Motorvehikel zweckentfremdeten: den Magnetzündapparat. Die Magnetelektrische Zündung war seit den 1860er Jahren bekannt und bei Stationärmotoren viel genutzt, Bosch hat sie keineswegs erfunden. Sie gehörte seit 1887 zu Boschs Angebot. Die einzelnen Exemplare fertigten die Mitarbeiter in wochenlang dauernder Handarbeit: Diese Zündapparate waren für große und sehr langsam drehende Stationärmotoren geeignet und für Bosch ein Rückhalt für sein Geschäft: Anfang der 1890erJahre machten sie bis zu 50 Prozent des Umsatzes seiner kleinen Werkstatt aus.
Bei der Zündung in Motorfahrzeugen mit ihren viel kleineren und für die nötige Leistung viel schneller drehenden Motoren sah es leider anders aus. Die Zündung war das „Problem der Probleme“, wie es ein Autopionier formulierte.
Als 1897 ein Kunde bei Bosch die maßgeschneiderte Ausrüstung eines Motordreirads mit der Magnetzündung bestellte, war der Moment gekommen, der alles veränderte. Robert Bosch beauftragte seinen Werkmeister Arnold Zähringer damit, und der fand durch eine grundsätzliche Konstruktionsänderung den richtigen Ausweg.
Die entscheidende Neuerung: Bislang wurde die elektrische Energie durch das Drehen oder Pendeln eines kupferumwickelten Ankers innerhalb eines Magnetfelds erzeugt. Dieser schaffte die nötigen Zündungen bei 100 Umdrehungen pro Minute. Bei einem viel schneller laufenden kleinen leichten Fahrzeugmotor mit bis zu 1 000 Umdrehungen reichte das nicht. Also ließ Zähringer nicht mehr den Anker drehen oder pendeln, sondern eine leichte metallische Hülse, die ihn umschloss. Das ermöglichte eine hohe Zahl an Zündvorgängen.
Am 11. Juni 1897 konnte Bosch das erste Patent der Unternehmensgeschichte anmelden. Die neue Technik sprach sich bald herum: Nach rund 1 000 Zündapparaten für Standmotoren in den zehn Jahren von 1887 bis 1897 stieg die Jahresproduktion in den kommenden fünf Jahren auf ein Vielfaches. Bis 1912 lag sie bei insgesamt einer Million. Robert Bosch musste sich um die Beschäftigung seiner Belegschaft keine Sorgen mehr machen.
Die Magnetzündung
Die Funktion
Bis Robert Bosch auf den Plan trat, gab es zwei konkurrierende Systeme: die Glührohrzündung, die aber nur mit einer brandgefährlichen offenen Flamme funktionierte, und die Batteriezündung. Diese lieferte elektrische Energie für Zündfunken, bis der Akkumulator entladen war. Ihr Nachteil: die kurze Reichweite.
Boschs Zündung für Automobile wurde angetrieben durch die Bewegung der Kurbelwelle im Motor, war also batterieunabhängig. Sie entwickelte durch Drehen oder Pendeln einer metallischen Hülse um einen kupferumwickelten so genannten Doppel-T-Ankers in einem Magnetfeld die nötige elektrische Spannung. Durch die mechanisch gesteuerte Unterbrechung des Stromkreises an einem Kontaktpunkt im Motorraum zum Zeitpunkt der höchsten Spannung entstand in schneller Regelmäßigkeit der Funken, der das Kraftstoffgemisch entzündete und das Fahrzeug sicher in Bewegung hielt
Autor: Dietrich Kuhlgatz