Truck Yeah!
Wie Christian Appel einen Brennstoffzellen-Lkw in Fahrt bringt
Bosch-Ingenieur Christian Appel entwickelt mit dem Start-up Nikola Motor Company den weltweit ersten 40-Tonnen-Truck mit Brennstoffzellenantrieb. Ein Job unter Strom – und der mögliche Beginn eines neuen Zeitalters im Güterverkehr.
Feintuning in Arizona
Hitzewellen flirren über den Asphalt der Teststrecke am Rande des Phoenix Sonoran Preserve Naturparks in Arizona. Christian Appel hebt kurz sein Baseball Cap, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Er blickt Richtung Horizont, wo die Umrisse eines schneeweißen Trucks zu sehen sind. Um ihn herum kreisen Menschen, sie schrauben, kalibrieren, tauschen letzte Informationen aus. Die Wüste lebt. Dann spricht Appel in sein Walkie Talkie: „Bringt den Truck nochmal auf die Strecke.“ Zum fünften Mal heute dieselbe Prozedur. Es geht ums Feintuning. Bald ist es soweit. Dann muss alles perfekt sein: die Steuerung, die Brennstoffzelle, die Lenkung. Bald ist Showtime.
Ein Truck wird kommen
Knapp ein Jahr wohnt der 32-jährige Deutsche jetzt in Phoenix, USA. Gemeinsam mit anderen Kollegen ist Appel von Bosch abgestellt, um gemeinsam mit der Nikola Motor Company die Zukunftstechnologie Brennstoffzelle massentauglich für Trucks zu machen. „Ein Brennstoffzellenantrieb ist für Trucks leichter und platzsparender als ein vergleichbarer Batterieantrieb“, erklärt der Ingenieur.
Das clevere Geschäftsmodell: die Zugmaschine wird mit einem Meilenpaket samt Treibstoff verleast. Dazu baut das Start-up Tankstellen, die Wasserstoff mit erneuerbaren Energien aufbereiten und zwischenspeichern. Der benötigte Strom wird dann bezogen, wenn er billig zu haben ist. Das ermöglicht den wirtschaftlichen Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw und ist gleichzeitig nachhaltig.
Der Auftrag: eine Weltneuheit erschaffen
Als Customer Chief Engineer ist Appel verantwortlich für die technische Koordinierung der Bosch-Komponenten im Truck mit dem Namen Nikola Two. Und das sind viele: Die Elektromotoren für die eAchse, die Antriebsstrangsteuerung sowie wichtige Komponenten für die Wasserstoffbrennzelle kommen von Bosch. Zusätzlich ersetzt das neue Mirror Camera System von Bosch die Außenspiegel des Trucks, und dank des Bosch Perfectly Keyless Systems braucht der Trucker künftig nicht mehr nach seinem Lkw-Schlüssel zu suchen.
Appels größte Herausforderung ist die Fülle an Herausforderungen. „Wir verbessern hier kein Fahrzeug, das sich schon im Markt befindet. Wir denken gemeinsam das Truckfahren von Grund auf neu. Wir helfen einem Start-up dabei, seine Vision umzusetzen“, so Appel – und das lohnt sich auch für Bosch: „Wir bekommen einen Wissensvorsprung bei einer Antriebstechnik, die den Güterverkehr revolutionieren könnte.“
Ein Team für alle Fälle
Als Ingenieur entwickelt Appel aber nicht nur Truck-Komponenten. „Es geht zunächst mal ums Networking. Ich spreche mit dem Kunden und gebe die Anforderungen dann an die richtigen Kollegen bei Bosch weiter“, erklärt er. Dabei greift er auf ein weltweites Netzwerk zurück. Über 200 Mitarbeiter aus sechs Geschäftsbereichen haben den Truck mitentwickelt. „Egal ob für Automatisierung, Vernetzung oder Elektrifizierung – wir haben für alles die richtigen Experten. Das können nicht viele Unternehmen bieten“, sagt Appel. Was ihn vor allem begeistert, ist der Team-Spirit: „Unsere Zusammenarbeit im Projekt ist fantastisch. Hier gibt jeder alles dafür, dass wir einen einzigartigen Truck auf die Straße bringen. Das ist ein tolles Gefühl.“
Fünf Fakten über die Arbeit am Nikola Two-Truck
Die Akkus auftanken
Zehn Tage später ist es geschafft. Nikola Two wird beim „Public Demo Day“ in Scottsdale der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Andrang ist groß, die Fachpresse jubelt. Der nächste Auftrag für den Truck-Paten lautet nun, den Lkw in Serie zu bringen. Im Jahr 2022 soll die Produktion anlaufen. Rund 35 000 Trucks sollen dann pro Jahr gefertigt werden. Doch für den Moment heißt es erst einmal: abschalten.
„Gleich hinter unserem Haus beginnt ein toller Hiking Trail durch die Wüste. Mit meinem Sohn hier entlang zu wandern, ist der perfekte Ausgleich für mich“, sagt Appel. Langsam verschwindet die Sonne hinter Arizonas Wüstenbergen, und die Akkus werden aufgetankt – der von Christian Appel, und der von Nikola Two sowieso.
Christian Appel
Customer Chief Engineer bei Bosch Engineering
hat Mathematik studiert und arbeitet seit sieben Jahren für Bosch. Aktuell lebt er in Phoenix, Arizona – und genießt diesen Lebensabschnitt in vollen Zügen. An seinem Arbeitsplatz bei der Nikola Motor Company erlebt er Start-up-Kultur in Reinform. Erfahrungen, die er nach diesem Projekt auch mit in die Bosch-Welt tragen wird. Und auch ein paar stichhaltige Erinnerungen an die Zeit in Amerika werden bleiben: „Wir waren beim Kona Night Dive vor Hawaii mit Mantas tauchen. Ein unvergessliches Erlebnis. Davon werde ich mir noch ein Tattoo stechen lassen.“