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Nachhaltigkeit

Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ist existentiell

Interview mit Dr. Christof Bosch

Dr. Christof Bosch: "Die nachhaltige Nutzung von Ressourcen ist existentiell"

Dr. Christof Bosch

Dr. Christof Bosch
Dr. Christof Bosch (Photo: Robert Thiele, Illustration: c3 Visual Lab.)

Dr. Christof Bosch ist seit April 2017 Vorsitzender des Kuratoriums der Robert Bosch Stiftung. Er gehört dem Gremium seit 1997 an und setzt sich besonders dafür ein, dass die Stiftung Nachhaltigkeitsthemen bearbeitet.

Dr. Christof Bosch, 58, Enkel von Robert Bosch und Forstwirt, bewirtschaftet im bayerischen Voralpenland einen Hof mit rund hundert Rindern. Im Interview erklärt er, warum Nachhaltigkeit eine Frage unserer Prioritäten ist – und existenziell für Gesundheit, Bildung und Frieden.

Angesichts großer globaler Herausforderungen wie Krieg und Terror weltweit scheint es fast ein Luxusproblem zu sein, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen. Ist es das denn?

Christof Bosch: Es ist eine Tatsache, dass wir zunehmend die Grenzen der natürlichen Ressourcen für die Versorgung der Menschen erreichen. Die nachhaltige Nutzung unserer Ressourcen ist also existenziell. Es stimmt allerdings auch, dass wir uns für die »weichen Faktoren« der Nachhaltigkeit wie z. B. die Ästhetik der Landschaft nur dann interessieren, wenn unsere Grundbedürfnisse befriedigt sind. Aber genau diese Grundbedürfnisse langfristig zu sichern, ist das zentrale Ziel von Nachhaltigkeit. Insofern kann nur aus unserer relativ bequemen Warte das Bild entstehen, das sei ein Luxusproblem.

Welche Rolle spielt Technologie in der Nachhaltigkeit?

C. Bosch: Die Frage der Nachhaltigkeit entsteht erst durch technischen Fortschritt. Sobald der Mensch angefangen hatte, in die Natur einzugreifen, zum Beispiel durch Ackerbau oder durch Waffen, mit denen er Tiere ausrotten konnte, tauchte das Thema Nachhaltigkeit auf. Das geht in sich verschärfender Geschwindigkeit weiter: Je stärker die Eingriffe in die Biosphäre durch technischen Fortschritt und Technologie, desto wichtiger wird es, auf die Nachhaltigkeit dieser Eingriffe achtzugeben. Technik ist nur dann nützlich, wenn sie nicht unsere Lebensgrundlagen zerstört. Andererseits ist jedes Landnutzungssystem technisch, sei es traditionell oder hochmodern, weshalb jedes Nachhaltigkeitsproblem auch nur mithilfe von Technik zu lösen ist.

Oft wird Nachhaltigkeit in einen Antagonismus zu Technik gesetzt ...

C. Bosch: Es ist ein häufiges Missverständnis, dass Nachhaltigkeit gleichbedeutend mit dem Erhalt des Bestehenden sei. Das kann schon deshalb nicht sein, weil wir in einer evolutionären Welt leben, deren einzig Beständiges der Wandel ist. Nachhaltigkeit muss also evolutionär passieren. Wenn wir versuchen würden, den technischen Fortschritt zu stoppen, bliebe das globale Bevölkerungswachstum trotzdem auf lange Zeit extrem unnachhaltig. Es geht also darum, die Entwicklung zu gestalten, nicht sie zu verhindern. Unsere Nutzung der Biosphäre verändert sich zwar immer schneller, aber sie verändert sich, seitdem es menschliche Entwicklung gibt. Schon die Jäger und Sammler waren nicht wirklich nachhaltig, weil sie in vielen Gebieten durch Überjagung ihre Nahrungsgrundlage verloren haben.

Viele Menschen haben das Gefühl, nachhaltiges Verhalten bedeute vor allem, auf Dinge zu verzichten, zum Beispiel weniger Auto zu fahren oder weniger Fleisch zu essen. Wie kann man diesem Eindruck entgegenwirken?

C. Bosch: Das gilt natürlich nur für eine Gesellschaft, die im Überfluss lebt. Und die genauere Betrachtung zeigt, dass es bei diesem Denken um individuelle Kaufentscheidungen geht: Wenn ich eine Weltreise machen will und sie bezahlen kann, dann bekomme ich sie tatsächlich. Dagegen kann ich andere Güter nur kollektiv haben. Kaufe etwa eine neue, weniger luftbelastende Heizung, anstatt auf Weltreise zu gehen, bekomme ich nicht automatisch die saubere Luft, zu der ich beigetragen habe. Die bekomme ich nur, wenn die anderen auch so handeln. Nur, weil wir nicht darauf schauen, welche Auswirkungen unsere Entscheidungen insgesamt für die Gesellschaft haben, entsteht der Eindruck, es ginge um Verzicht. Eigentlich geht es um die Frage, was mir wichtiger ist.

Oder darum, wie wir alle gemeinsam profitieren können?

C. Bosch: Genau. Denn – um beim obigen Beispiel zu bleiben – sonst reise ich nicht, habe aber auch nichts gewonnen, weil ich zu Hause in der möglicherweise belasteten, schmutzigen Luft sitze. Tatsächlich kann der Einzelne durch seine Entscheidungen nur einen kleinen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Auf diesen Beitrag müssen wir alle, so gut es geht, achten – und besonders die Menschen, deren Entscheidungen große Auswirkungen haben.

Warum haben Sie sich dafür starkgemacht, dass sich die Stiftung für Nachhaltigkeit engagiert?

C. Bosch: Ressourcenverknappung, wie Trinkwassermangel und der Verlust fruchtbaren Bodens sowie die Klimaveränderung bedrohen heute schon Gesundheit und Frieden. Lange konnten wir hier in Deutschland so tun, als betreffe uns das nicht direkt, aber die Migration aus Nordafrika nach Europa hat darin eine ihrer Ursachen. Bildung setzt stabile Gesellschaften voraus und wird schwieriger, wenn sich die Umweltbedingungen in weiten Regionen der Welt radikal verschlechtern. Für Frieden gilt genau dasselbe. Deshalb ist eine nachhaltige Entwicklung fundamental für die Orientierung der Stiftungsarbeit.

Ihr Großvater Robert Bosch hat als Unternehmer viel Wert auf den sparsamen Umgang mit Ressourcen gelegt. Er hat auch den Bauernhof gegründet, den Sie heute bewirtschaften. Setzen Sie seinen Nachhaltigkeitsgedanken fort?

C. Bosch: Mein Großvater hat das Wort Nachhaltigkeit nicht verwendet, das beschrieb damals nur ein forstliches Konzept. Sein Engagement in der Landwirtschaft hatte stark damit zu tun, dass er angesichts einer drohenden Hungersnot zeigen wollte, dass Deutschland sich aus der Region versorgen kann. Insofern war sein Ansinnen natürlich nachhaltig; auch, weil er langfristige Stabilität im Sinn hatte. Der Betrieb, den meine Familie heute ökologisch bewirtschaftet, ist bescheiden und nicht vergleichbar mit dem Mustergut, das er damals aufgebaut hat. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass mein Großvater, betriebe er heute Landwirtschaft, in eine ähnliche Richtung gehen würde.

Das Interview ist im Original im Magazin „Nachhaltigkeit“ der Robert Bosch Stiftung erschienen (Link zur PDF-Version).