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Denner’s view

Die Kurzschlüsse der Verkehrswende

Volkmar Denner, CEO Bosch, steht vor einem blauen Hintergrund, der eine Straße mit mehreren Autos und eine Tankstelle im Hintergrund zeigt.

07.05.2020

Elektromobilität und eFuels – der Klimaschutz braucht beides. Ein Plädoyer für mehr Realitätssinn in der Verkehrswende.

von Dr. Volkmar Denner

Wo es um Strom geht, drohen Kurzschlüsse. Das ist in der Physik so, das ist in der Diskussion um die Verkehrswende nicht anders. Immerhin ist es gut, dass die Elektromobilität kommt – gut jedoch auch, dass hier ein gedanklicher Kurzschluss langsam zur Nachdenklichkeit führt. Denn es hat sich herumgesprochen, dass Elektroautos nur dann klimaneutral fahren können, wenn ihr Strom aus regenerativen Quellen stammt.

Doch ringen wir mit einem anderen Missverständnis. Es fußt auf der Annahme, Diesel und Benziner könnten niemals klimaneutral unterwegs sein. Tatsächlich können sie es, mit sogenannten eFuels – synthetischen Kraftstoffen, die ihrerseits mit erneuerbaren Energien erzeugt werden.

Bitte nicht planwirtschaftlich denken!

Die Grafik zeigt ein transparentes Auto, das mit dem grünen Hintergrund eines Stadtparks verschmilzt.

Und wieder kommt ein Irrglaube auf. Diesmal ist es das Argument, es stünde gar nicht genügend regenerativer Strom zur Verfügung, um eFuels für den Straßenverkehr ebenso wie für den Schiffs- und Flugverkehr herzustellen. Das ist ein statischer, beinahe planwirtschaftlicher Gedanke. Er verkennt das erste Gesetz der Marktwirtschaft – das Gesetz, dass mit der Nachfrage nach synthetischen Kraftstoffen auch das Angebot steigen wird. Am Beispiel eFuels wird deutlich, dass die Diskussion um die Verkehrswende nicht offen und konstruktiv genug geführt wird. Es ist eine Diskussion der Kurzschlüsse.

„Am Beispiel eFuels wird deutlich, dass die Diskussion um die Verkehrswende nicht offen und konstruktiv genug geführt wird.“
Volkmar Denner, CEO Bosch

Verkehrs- und Energiewende gehören zusammen

Wie aber diese Kurzschlüsse überwinden? Am Anfang sollte eine klare Einsicht stehen: Verkehrs- und Energiewende sind eine Einheit, sie müssen mehr als bisher zusammen gedacht werden. Denn ob eFuels oder Elektromobilität – beide Lösungen können nur mit grünem Strom das Klima schützen. Konkret entstehen synthetische Kraftstoffe aus der Verbindung von Kohlendioxid und Wasserstoff. Während das CO₂ idealerweise aus der Umgebungsluft stammt, das Treibhausgas also unmittelbar zum Rohstoff wird, ist der Aufwand zur Gewinnung von H₂ größer. Denn um Wasserstoff klimaneutral aus Wasser zu gewinnen, braucht es regenerativen Strom. Das ist der Punkt, an dem sich die Diskussion leider erneut in Fehlannahmen verliert …

E-Autos und eFuels sind vergleichbar effizient

So wird oft argumentiert, ein mit eFuels betriebener Verbrennungsmotor habe einen nahezu fünfmal so hohen Strombedarf wie ein vergleichbarer E-Antrieb. Tatsächlich können wir bei effizienten Verbrennern vom Faktor drei ausgehen. Gleichwohl, so ist zu hören, sei der Wirkungsgrad von Elektroautos hochüberlegen. Das stimmt, solange der regenerative Strom etwa in Deutschland gewonnen und sogleich in Deutschland geladen wird. Was aber, wenn dieser Strom aus anderen Weltregionen mit mehr Wind und Sonne stammt? Dann lässt er sich nicht mehr über Kabel transportieren, er muss chemisch umgewandelt und wieder rückverstromt werden. Am Ende der Kette sind die Wirkungsgrade von E-Fahrzeugen und eFuels doch wieder vergleichbar. Das zeigt: Mehr Faktenorientierung könnte der Diskussion um die Verkehrswende weiterhelfen.

Die Grafik zeigt einen Kreislauf für synthetische Kraftstoffe. Dabei wird Kohlendioxid aus der Umgebungsluft mit Wasserstoff aus regenerativer Stromerzeugung kombiniert.

1,20 Euro pro Liter

könnten eFuels bis 2030 vor Steuern kosten. Bis 2050 könnten die Kosten sogar auf unter einen Euro sinken.

Wie die Kosten von eFuels sinken

Aber wie realistisch ist es, dass wir eFuels jemals zu akzeptablen Kosten tanken können? Auch hier sollten wir die Dynamik des Marktes nicht unterschätzen. Es ist ja richtig: Noch sind synthetische Kraftstoffe teuer. Aber je größer die Produktionskapazitäten, desto niedriger die Kosten. Bis 2030 sind eFuels-Kosten vor Steuern zwischen 1,20 und 1,40 Euro pro Liter realisierbar, bis 2050 könnten sie unter einen Euro sinken. Das mag immer noch mehr sein, als wir heute für fossile Kraftstoffe bezahlen. Aber dieser Kostennachteil wird schnell schrumpfen, wenn der Umweltvorteil erneuerbarer Kraftstoffe einen Wert bekommt.

Die Mineralölwirtschaft braucht einen Anstoß

Drei Zapfventile an einer Tankstelle. Auf einem steht die Aufschrift „eFuels“.

Allerdings ist die Frage aller Fragen, wie Klimaschutz in die Kostenrechnung eingehen kann. Dazu ist die CO₂-Bepreisung zwar ein wichtiger, aber nur ein erster Schritt. Im Fall der eFuels führt ein schnellerer Weg über die CO₂-Regulierung für Neufahrzeuge. Damit ließen sich synthetische Kraftstoffe auf die Vorgaben für den Flottenverbrauch anrechnen. Dies wäre, ebenso wie eine Quote für die Beimischung solcher Kraftstoffe, ein Anstoß für die Mineralölwirtschaft, in die Volumen-Produktion von eFuels einzusteigen. Warum aber zögert die europäische Politik? Weil hier zwei Regulierungen vermischt werden könnten, die Regeln für die Fahrzeug- und die Kraftstoffindustrie? Das ist, wenn nicht zu kurz, so doch inkonsequent gedacht. Schon jetzt werden Elektroautos im Flottenverbrauch so berücksichtigt, als führen sie zu 100 Prozent mit Grünstrom. Es ist daher nur fair, den Ansatz der Sektor-Kopplung auf die synthetischen Kraftstoffe zu erweitern. Vor allem aber ist es überfällig, da Europa mit der bisher absehbaren Elektromobilität seine Klimaschutz-Ziele im Straßenverkehr bis 2030 nicht annähernd erreichen wird. CO₂-neutrale Kraftstoffe würden diese Klimalücke deutlich verkleinern.

Und der Klimawandel wartet nicht

Dies gilt umso mehr, als synthetische Kraftstoffe unmittelbar im Fahrzeugbestand wirken können. Was 2030 auf unseren Straßen fährt, größtenteils mit Benzin- und Dieselmotor, ist heute schon zur Hälfte verkauft. Auch diese Autos müssen ihren CO₂-Abdruck verkleinern. Mit eFuels können sie es.

Wir müssen also die Verkehrswende offener denken als bisher – der Klimaschutz ist es wert. Die Politik sollte schnell die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, nur dann werden eFuels bereits in dieser Dekade nennenswert an unseren Tankstellen verfügbar sein. Wir dürfen nicht warten, der Klimawandel tut es auch nicht.

Erstveröffentlichung im Tagesspiegel Background Mobilität am 7. Mai 2020

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