Werte können Innovationsmotor sein
Wie unternehmerische Verantwortung auch technologische Perspektiven eröffnet
21.10.2020
Gute Unternehmen haben mehr als einen Wert, sie haben Werte. Und diese Werte, ob Verantwortung oder auch Vertrauen, haben sich nicht nur in der Vergangenheit bewährt, sie können auch den Weg in die technologische Zukunft weisen.
von Dr. Volkmar Denner
Der schnelle Weg zum Covid19-Schnelltest
Wie sonst wäre es möglich, dass innovationsgetriebene Unternehmen in zunehmendem Maße einem klaren Wertekompass folgen. Dass solch ein Kompass beflügeln kann, hat sich nicht zuletzt in der Corona-Krise gezeigt. Binnen weniger Wochen haben viele Unternehmen ihre Produktion und die Lieferketten umgestellt. Und Bosch hat – auf der Basis der in jahrelanger Entwicklungsarbeit entstandenen Vivalytics-Plattform – einen Covid19-Schnelltest auf den Markt gebracht. Niemand soll glauben, das rein geschäftliche Interesse, dem Wettbewerb voraus zu sein, sporne solchen Erfindergeist an. Zugegeben, auch ein Technologie-Unternehmen muss seinen Forschungsaufwand verdienen. Aber je sinnstiftender das Ziel, desto größer das Engagement der Mitarbeiter. Werte stehen nicht nur für Tradition, sie können auch Innovationsmotor sein.
Zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit
Allerdings müssen gerade werteorientierte Unternehmen Spannungsverhältnisse aushalten – zwischen rechtlichen Freiheiten und ethischer Selbstbeschränkung in der geschäftlichen Praxis, zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit, nicht zuletzt zwischen Mensch und Maschine. Hier ist nicht Problemlösung die erste Managementaufgabe, hier geht es immer häufiger um Dilemma-Bewältigung. Nirgends wird das deutlicher als im Dreieck der unternehmerischen Verantwortung: Ökonomische, ökologische und soziale Gesichtspunkte auszugleichen – das macht Unternehmensführung gerade in Zeiten von Krise und Wandel immer aufs Neue zu einer schwierigen Balance-Aufgabe. Wem das gelingt, der schafft dauerhaft Wert. Zumindest deutet eine Reihe aktueller Analysen darauf hin, dass sich nachhaltig agierende Unternehmen auch angesichts von Corona an den Börsen widerstandsfähiger behaupten konnten als andere. Doch ohne Wertebezug und Innovationsfähigkeit ist Nachhaltigkeit nicht möglich.
15 000 gerettete Menschenleben
durch ESP® nach 25 Jahren (allein in Europa).
Das ESP® – wenn Technik zum Schutzengel wird
Robert Bosch hatte das verinnerlicht. Er selbst hat einmal gesagt, Technik müsse dazu bestimmt sein, „der gesamten Menschheit ein Höchstmaß an Lebensmöglichkeit und Lebensglück zu verschaffen“. Das mag heutigen Lesern beinahe überschwänglich anmuten, als könne der technische Fortschritt gleichsam im Alleingang die Welt retten. In unserem aktuellen Produktentwicklungskodex heißt es denn auch etwas nüchterner, dass jedes Produkt menschliches Leben bestmöglich schützen, Umwelt und Ressourcen soweit wie möglich schonen soll. Genau in diesem Sinne lautet das Leitmotiv von Bosch „Technik fürs Leben“. Es leitet unmittelbar unsere Ingenieure an. Das markanteste Beispiel ist gerade 25 Jahre alt geworden: das ESP®, das elektronische Schleuderschutz-Programm. Seine Bilanz nach einem Vierteljahrhundert: 15 000 gerettete Menschenleben, 450 000 verhinderte Verkehrsunfälle allein in Europa. Manchmal kann Technik wie ein Schutzengel sein.
Auch Technikfolgen brauchen technische Antworten
Selbst auf negative Technikfolgen wie Unfälle im Straßenverkehr mit neuer und intelligenter Technik zu antworten – das ist die Logik eines Technologie-Unternehmens. Es gibt jedoch Langzeitfolgen der Industrialisierung, die sich nicht durch eine einzelne innovative Großtat beheben lassen. Daran kann kein Unternehmen vorbeisehen, das sich im Sinne seiner Werte auch als nachhaltiges Unternehmen versteht. Solch eine Langzeitfolge, die wir gleichwohl hier und jetzt angehen müssen, ist der Klimawandel.
Klimaschutz verschiebt die Grenzen des Wachstums
Wie aber das Klima schützen? Sich gleich ganz von der Idee des Wachstums zu verabschieden, ist eindeutig der falsche Weg. Wer das vorschlägt, verweigert damit auch Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern die Aussicht auf Gesundheit, Bildung und Wohlstand. Vor allem aber setzt die These von den Grenzen des Wachstums implizit die Idee der Begrenzung des technischen Fortschritts voraus. Gerade umgekehrt ist es aber der Fortschritt der Technik, der die Grenzen des Wachstums ökologisch kompatibel verschieben kann. Energieeffizienz, die Gewinnung regenerativer Energien, die Erzeugung synthetischer Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff – alles dies hilft, die Kohlendioxid-Intensität des Wachstums zu reduzieren. Und Bosch bewegt eben diese technischen Hebel, um die eigenen Standorte CO₂-neutral zu stellen. Letztlich ist es von inspirierten und engagierten Menschen geschaffene Technik, die Nachhaltigkeit ermöglicht.
Keine künstliche Intelligenz ohne ethische Grenze
Was wir akzeptieren müssen: Es gibt technische Entwicklungen, die sich nicht so unmittelbar erschließen wie der Kampf gegen Krankheiten, Unfälle und Klimawandel. Wenn es etwa um künstliche Intelligenz geht, dann haben viele Menschen immer noch Vorbehalte – etwa die Angst, KI könne die menschliche Intelligenz überholen. Das können wir für falsch halten, aber wir müssen es ernst nehmen. Eben deshalb dürfen wir KI nicht nur technisch innovativ, wir müssen sie auch ethisch reflektiert entwickeln. So ist bei Bosch ein eigener Kodex für den Einsatz künstlicher Intelligenz entstanden. Es geht uns darum, dass mitdenkende Maschinen das menschliche Denken nicht ersetzen, sondern ergänzen. Bosch will mit KI wachsen, setzt der KI-Entwicklung aber ethische Grenzen. Erst die Einhaltung dieser Grenzen schafft Vertrauen, das nach unserem Selbstverständnis das Geschäft auf Dauer trägt. Es sind Werte, die einer Innovation wie der künstlichen Intelligenz zum Durchbruch verhelfen.