Immer die richtige Richtung gezeigt: Der Bosch-Winker
Bis weit nach 1900 waren Kraftfahrzeuge ein Privileg weniger vermögender Enthusiasten, spielte aber als Transportmittel im Straßenverkehr keine Rolle.
Erst nach 1910 wurde das Automobil als Verkehrsmittel relevant. Es bot nun neue Möglichkeiten als Verkehrsmittel sowie ausreichend erprobte Einsatzvarianten zur Ergänzung des vorhandenen Transportsystems. Zwischen den beiden Weltkriegen vollzog sich die Verkehrsmotorisierung in Europa und Nordamerika in zwei großen Wachstumsphasen, unterbrochen durch die Weltwirtschaftskrise. Der Kraftfahrzeugbestand wuchs in den zwanziger und dreißiger Jahren kräftig an.
Regeln für die Straßen
Regelungen mussten her, um dem zunehmenden Chaos auf den Straßen zu begegnen. Signale wurden da immer wichtiger. In § 26 der Verordnung über den Kraftverkehr heißt es daher: „Der Führer hat andern Personen die Absicht des Stillhaltens durch senkrechtes Hochhalten des Armes, die Absicht des Umwendens und des Verlassens der bisher verfolgten Fahrtrichtung durch waagrechtes Halten des Armes in der Richtung des Wechsels rechtzeitig zu erkennen zu geben; zum Abgeben der Zeichen kann auch eine mechanische Einrichtung benutzt werden.“
Abbiegen mit Anzeige
Der Gedanke eines auch vom Gesetzgeber vorgesehenen mechanischen Fahrtrichtungsanzeigers war 1927/28, als sich die Bosch-Entwicklungsabteilung mit dem Problem beschäftigte, also nicht neu. Anfang der zwanziger Jahre gab es metallene Winkerarme mit roten „Bakelit-Augen“, die durch einen mechanischen Hebelschalter über Bodenzüge betätigt werden konnten. Auch waren von anderen Herstellern, namentlich von Carl Zeiss Jena, bereits Vorrichtungen bekannt, bei denen sich in einem kapselartigen, von innen beleuchteten Gehäuse ein Pfeil durch zwei Elektromagneten in die jeweils gewünschte Fahrtrichtung drehte. Bei Bosch ging man jedoch von Anfang an von der Annahme aus, dass sich die Umrisse des Fahrzeugs beim Zeichengeben verändern sollten.
Der Bosch-Winker besteht im Prinzip aus einem Elektromagneten, der beim Betätigen des Winkerschalters den Winkerarm aus seinem Gehäuse ausschwenkt. Gleichzeitig wird der Winkerarm dabei durch eine Glühlampe beleuchtet, um ihn bei Dunkelheit deutlich sichtbar zu machen. Eine jalousieartige Riffelung an der Rückseite des Winkerarms verhindert dabei wirkungsvoll eine Blendung des Fahrers durch die Winkerbeleuchtung. Es galt schließlich schon damals, die Verkehrssicherheit durch Innovationen zu verbessern und nicht durch Nachteile neuer Technik ihre Vorteile einzuschränken. Das hätte die Durchsetzung des Winkers weitaus mindern können.
Der Winker verschwindet
Doch Notwendigkeit wie praktikable Lösung überzeugten, und die Technik setzte sich weltweit durch. An jedem Lastwagen, jeder Limousine, an jedem Sportwagen fuhren beim Abbiegen oder Richtungswechsel die kleine Arme aus der B-Säule aus, deren Spitze mit einer orange blinkenden Leuchte belegt war.
Von 1956 an durften laut Straßenverkehrs-Zulassungsordnung sämtliche Neufahrzeuge in Deutschland nur noch mit einer Blinkeranlage ausgerüstet werden, wie wir sie heute kennen. Gesetze dieser Art gab es vergleichbar in allen Ländern mit weit entwickelter Motorisierung.
Besitzer älterer Wagen hatten bis 1961 Zeit, ihre Fahrzeuge umzurüsten. Der Bosch-Winker verschwand aus dem Straßenbild. Doch auch das war kein Problem: Schließlich bot Bosch seit 1949 die neuartigen Blinker an. Was heute selbstverständlich erscheint, war damals ungewöhnlich. Statt nur zwei leuchteten vier Blinklichter, an jeder Fahrzeugecke eines.
Es ist fast wie eine kleine Renaissance, dass Autos heute oft zusätzliche Blinkleuchten in den Außenspiegeln haben. Aus der Ferne sieht es ähnlich aus, nur klappen die Spiegel angenehmerweise nicht nach dem Abbiegen ein.
Autor: Dietrich Kuhlgatz