Digitale Transformation in Unternehmen
Im Gespräch mit der Professorin für Digitales Medienmanagement an der Steinbeis-Hochschule Berlin und CEO der Beratungsfirma _MEDIATE.
11.12.2019
Bei der digitalen Transformation gibt es klare Gewinner und Verlierer, sagt Katja Nettesheim. Die Unternehmensberaterin ist sich sicher: Der Schlüssel zum Erfolg liegt im kulturellen Wandel.
Das richtige Verständnis von digitaler Transformation
„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Was Friedrich Schiller bereits vor über 200 Jahren zum Thema Fortschritt prophezeite, kann die Transformationsexpertin Katja Nettesheim heute für die digitale Transformation unterschreiben. Während im Silicon Valley diesbezüglich gerne neu und groß gedacht wird, hinken in vielen Ländern die Unternehmen hinterher.
Durch das Festhalten an alten Strukturen und der Angst vor dem Wandel gibt es eindeutige Gewinner und Verlierer auf dem Weg ins digitale Zeitalter. Dass sich dieser für einige steiniger gestaltet als für andere, liegt für Nettesheim zunächst am oft falschen Verständnis von digitaler Transformation. Denn dabei geht es eben nicht nur um IT-Lösungen: „Die digitale Transformation ist umfassender, sie verändert das ganze Unternehmen.“
Mehr als Technologie
Die Medienexpertin beschäftigt sich seit gut 15 Jahren mit dem Thema und ist davon überzeugt, dass digitale Transformation in mehreren Bereichen eines Unternehmens greifen muss, um sich überhaupt vollziehen zu können: „Es geht um Geschäftsmodelle und um Produkte, um Methoden, um Know-how, und es geht um Mentalität und Technologie“, erklärt sie. Und genau diese Denkweise habe sich in vielen Branchen, häufig auch bei etablierten Unternehmen, noch nicht genug durchgesetzt.
Neu denken
Zudem wird die Herangehensweise von Innovationsführern, wie Startups, oft nicht genau analysiert – doch genau dort gilt es hinzuschauen: In jeder Branche tauchen neue Marktteilnehmer auf, die plötzlich nach ganz anderen Regeln spielen. Sie gehen anders mit Kunden um, definieren die Grenzen des Wettbewerbs neu und verhalten sich ganz unterschiedlich auf dem Markt. Das mag verwirren, doch für Nettesheim gilt: „Etablierte Unternehmen müssen diese Regeln verstehen und lernen, danach zu spielen, denn die neuen Marktteilnehmer sind sehr erfolgreich damit.“
21 Prozent
der Unternehmen halten Branchenkollegen für nicht fortschrittlich.
Nach der aktuellen Studie „Digital Transformer of the Year Initiative 2018“ gibt es in Deutschland noch immer nur wenige Unternehmen, die in Sachen digitale Transformation fortgeschritten sind, die Tendenz ist aber steigend. Dennoch gaben 21 Prozent der Unternehmen an, dass sie bei Branchenkollegen kaum Fortschritte sehen.
Aber wie kann Fortschritt gelingen? Die entscheidenden Faktoren dafür nennt die Professorin das „Dreieck der digitalen Transformation“ aus kontinuierlicher Kundenorientierung, effizienter Datennutzung und der Fähigkeit, mit den neuesten Technologien umgehen zu können. „Es geht jedoch nicht um die Technologien als solche, sondern vielmehr um die menschliche Verbindung zu diesen Technologien. Alle drei Dinge basieren also auf Wissen und Kultur”, sagt sie.
Der nächste Schritt beim IoT
Auch die „Kultur“ steht vielen Unternehmen beim Wandel im Weg, ist Nettesheim überzeugt. Denn sie sei der Schlüssel zur Transformation. Die Unternehmensberaterin zieht das Internet of Things (IoT) als Erklärung heran: „Durch das Internet der Dinge waren Geräte zunächst einmal in der Lage, ohne das Zutun von Menschen untereinander zu kommunizieren. Allein diesen Sachverhalt müssen viele Leute erst noch verstehen lernen“, so Nettesheim. Und nun gehe es sogar einen Schritt weiter und man müsse sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass es eine digitale Wirtschaft der Dinge, die sogenannte Economy of Things (EoT), geben wird: Die Interaktion zwischen Dingen mit ihren eigenen Geschäften.
„Kulturwandel bedeutet Verhaltensänderung und wir alle wissen, wie schwierig Verhaltensänderungen sind“, sagt Nettesheim. Um ein Umdenken zu erreichen, setzt sie auf Neurowissenschaften: Die Frage, warum sich Unternehmen eine gewisse Kultur aneignen, danach handeln und Entscheidungen treffen, liegt nämlich nicht in digitalen Algorithmen verborgen, sondern in ganz menschlichen Verhaltensweisen – etwa das Festhalten an klassischen Arbeitsmethoden, festgefahrenen Hierarchien, das Selbstverständnis des Managements und die unliebsame Konfrontation mit dem eigenen Rückschritt. Hier liegt für Nettesheim der Knackpunkt zu Wandel und Fortschritt – und deswegen gilt es, die Unternehmenskultur im Arbeitsalltag aktiv neu zu gestalten.
Ein Interview mit Katja Nettesheim, Gründerin und CEO der _MEDIATE GmbH
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Katja Nettesheim, 45
Gründerin und CEO der _MEDIATE GmbH
Aus konzeptioneller Sicht ebnet das Internet der Dinge der digitalen Transformation den Weg.
Prof. Dr. Katja Nettesheim ist Professorin für Digitales Medienmanagement an der Steinbeis-Hochschule Berlin und Gründerin wie Geschäftsführerin von _MEDIATE. Vor dem Aufbau des eigenen Unternehmens im Jahr 2008 hat sie langjährige Berufserfahrung im Axel Springer-Konzern gesammelt. Dort war sie in den Bereichen Mergers & Acquisitions und auch in der Verlagsgeschäftsführung der Hamburger Regionalzeitungen operativ tätig. Zuvor hat die Juristin mehrere Jahre als Unternehmensberaterin für die Boston Consulting Group gearbeitet.
Fazit
Kultur ist der Schlüssel zur Transformation – aber der Wandel muss im Unternehmen aktiv gestaltet werden. Katja Nettesheim setzt dabei auf die Neurowissenschaften: „Kulturwandel bedeutet Verhaltensänderungen und wir alle wissen, wie schwierig Verhaltensänderungen sind“, sagt sie. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse könnten bei einem Kulturwandel helfen – und somit auf dem Weg, zu den digitalen Gewinnern zu gehören.