Dr. Felix Jägle und die Chance, Träume zu realisieren
Sich fortbewegen: ein Grundbedürfnis des Menschen. Das erkennt man auch an Dr. Felix Jägle, einem unserer Fachexperten für Kavitation. Besonders brennt der Forscher jedoch für ein Projekt außerhalb seines eigentlichen Fachgebietes.
Als Dr. Felix Jägle 2012 zu Bosch kommt, hat er einige universitäre Stationen hinter sich: Nach dem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart mit Auslandsjahr an der École Polytechnique in Frankreich promoviert er zu numerischer Strömungssimulation am Centre Européen pour la Recherche et la Formation Avancée en Calcul Scientifique in Toulouse. Es folgt eine Postdoc Stelle am Institut für Aerodynamik und Gasdynamik in Stuttgart. An seinem Drang, sich auch fachlich fortzubewegen, hat sich bei Bosch nichts geändert: Erst Simulationsingenieur und später Projektleiter eines Forschungsprojekts zum Thema Vorhersage von Kavitationserosion, wird er im Laufe des Projekts zu einem Fachexperten im Bereich der Kavitation. Zwischenzeitlich übernimmt er die Leitung einer Studie zu einem Common-Rail Druckregelventil sowie Teilprojektleitungen im Bereich der Vorausentwicklung von Erdgas-Direkteinspritzungskomponenten. Aktuell arbeitet er an Themen, die sich mit numerischer Simulation von Fluidströmungen befassen. Hauptsächlich geht es dabei um die Vorhersage von Kavitation, einem Phänomen, das unter extremen Bedingungen in Flüssigkeiten auftritt und zum Verschleiß von Bauteilen führen kann.
In diesem Fachgebiet ist Felix Jägle zuhause. Doch es gibt ein Projekt, das ihm besonders am Herzen liegt.
„Das Thema liegt weit ab meiner eigentlichen Fachrichtung“, sagt er selbst. Die Begeisterung dafür kann aber natürlich keine Einteilung in Fachrichtungen bremsen. So hat der Familienvater in Teilzeit – die Betreuung der Kinder teilt er sich mit seiner Frau – das Projekt mit einer kleinen Kollegengruppe neben seinen eigentlichen Tätigkeiten vorangetrieben. Die Möglichkeit, eigene Projektideen vorzuschlagen sowie weiterzuverfolgen ist ein wesentlicher Bestandteil der Bosch Forschung. Das zusätzliche Engagement des Teams wird belohnt: Zweimal in Folge gewinnen sie in einem Ideenwettbewerb interne Mittel durch Crowdvoting für ihr Projekt. Ein Beleg dafür, wie interessiert auch andere Kollegen an ihrem Projektthema sind.
Über den Straßen in Richtung Zukunft
Volle Straßen, volle Bahnen. Lange Staus, Zugausfälle – und überall schlechte Luft. Eine Situation, die den Mobilitätsalltag vieler Menschen bestimmt und zu einer unbefriedigenden Situation für das individuelle Beförderungserlebnis führt. Bestehende Transportsysteme stoßen immer häufiger an ihre Grenzen, Mobilität ist oftmals kein rein positives Erlebnis mehr, gibt Jägle zu bedenken. Für ihn ist es Zeit, sich neuen Ansätzen zu öffnen.
Es geht ihm dabei allerdings nicht darum, ein System von Grund auf neu zu entwickeln – schließlich gibt es bereits alternative Arten der urbanen Mobilität. Jedoch erfahren diese in ihrer jetzigen Form keine breite Umsetzung, weiß Jägle: „Eine bestehende Idee ist die des öffentlichen Verkehrs in kleinen, automatisierten Einheiten, auch "pod transportation" genannt.“ Einmal eingestiegen fährt eine Kabine dann ohne Wartezeiten, Umwege oder Umsteigen direkt an das individuelle Ziel. Die andere Idee ist die Idee der urbanen Seilbahn, also die Anwendung der aus Skigebieten bekannten Technologie in der Stadt. Beide Ansätze haben Vorteile. Es gibt aber auch Nachteile, die ihre Verbreitung noch verhindern. Pod transportation benötigt einen massiven und teuren Betonfahrweg, der sich nicht für die Stadt eignet.
Urbane Seilbahnen wiederum werden nur sehr sporadisch umgesetzt, da sie ausschließlich weit auseinanderliegende Punkte entlang einer geraden Linie verbinden. Der Mangel an Kurvenfähigkeit und Stationsdichte sind die Kernaspekte, die einer breiten Umsetzung trotz einer kostengünstigen Infrastruktur im Wege stehen. Wenn man nun aber die Vorteile der beiden Konzepte nimmt – die günstige und flexible Infrastruktur der Seilbahn sowie den nutzerorientierten on-demand Betrieb der pod transportation – und sie vereint, ergäbe das doch etwas vollkommen Neues.
Hier kommt die Projektidee von Felix Jägle ins Spiel:
Wie wäre es, wenn man sich nicht auf, sondern über den Straßen fortbewegen würde? Ihm schwebt im wahrsten Sinne des Wortes ein neuer Ansatz für Mobilität im urbanen Raum vor: eine autonome Seilbahn. „Was wäre, wenn eine Seilbahn keinen zentralen Antrieb mehr hätte, sondern alle Gondeln sich, mit E-Antrieb und Sensoren ausgestattet, autonom auf einem festen, hängenden Fahrweg fortbewegen könnten?“ Bei diesem Ansatz handelt es sich um eine Kombination aus zwei Transportkonzepten, die zu einem neuen Ansatz der urbanen Mobilität führt, der deutlich besser funktioniert als bisherige Konzepte, erklärt der Forscher.
Mehr als das Beste aus beiden Welten
Der Ansatz von Felix Jägle trägt den Namen „eRopeway“. Hierbei fährt jeder Nutzer on-demand und ohne Zwischenhalt an sein individuelles Ziel. Fern ab von starren Linien und Fahrplänen – wie bei der pod transportation. Das Ziel kann eine von vielen kleinen Stationen sein, das beliebig entlang der eRopeway Strecke liegt. Das Streckennetz kann hierbei Kurven und Verzweigungen enthalten. „Allgemein profitiert so ein System auch davon, dass es keine zentralen Einheiten mehr hat und damit in jeder Hinsicht modular und damit flexibel erweiterbar ist“, verdeutlicht der Experte. Dabei geht es Jägle nicht nur um den reinen Transportvorteil. „Die großen Problemzonen der Mobilität sind ja der CO2 Ausstoß, lokale Emissionen sowie der Verbrauch von Ressourcen, seien es Rohstoffe oder auch Flächenverbrauch“, sagt er, und fügt hinzu: „Natürlich steht eine quantitative Betrachtung noch aus, aber ich bin schon jetzt überzeugt, dass eRopeway sich in all diesen Aspekten sehr gut schlägt. Schließlich handelt es sich um ein voll elektrisches Fahrzeug mit Stromabnehmer. Also ohne lokale Emissionen und ohne den Rohstoffbedarf eines großen Batteriespeichers.“ Durch das individuelle Beförderungskonzept entfallen Leerfahrten sowie Brems- und Beschleunigungsvorgänge durch Zwischenhalte. Zudem ist es ein sehr sicheres Fortbewegungsmittel, das sich bei extremen Wetterlagen abschaltet und in Notlagen einfach evakuiert werden kann.
Träume und Visionen
Wenn Felix Jägle über die Mobilität der Zukunft im urbanen Raum spricht, spricht er nicht nur von der reinen Innovation. Es ist sein Herzensprojekt, bei dem immer auch ein Hauch Romantik mitschwebt. Es geht ihm nicht nur um den optimalen Betrieb des Verkehrssystems – ihm geht es um die persönliche Erfahrung des Menschen. Und er träumt davon, dass diese Erfahrung wieder in den Fokus rückt. Weg vom umständlichen Massentransport, hin zu auf das Individuum zugeschnittene Mobilität. Von eRopeway ist er überzeugt. Nicht nur günstiger, ressourcenschonender und besser für unsere Umwelt – sondern vor allem eine Bereicherung für den Menschen. Jägle will in den kommenden Monaten weiter an der Idee von eRopeway feilen. Gemeinsam mit seinem Team sollen konkrete Möglichkeiten zu einer Realisierung geprüft werden.
Warum seine Idee, die er bereits vor über zehn Jahren hatte, nach wie vor gut ist? „Weil eRopeway den Benutzer in den Mittelpunkt stellt und ihm eine entscheidend bessere Erfahrung bietet als alle heutigen Systeme. Und die Begeisterung der Nutzer wird auf lange Sicht den Ausschlag geben.“
Eine Begeisterung, die man auch bei Dr. Felix Jägle spürt. Schließlich hat er mit eRopeway die Chance, seinen Traum zu realisieren.