Die Geschichte von Bosch Building Technologies
Vom Notruf zum vernetzten Gebäude
Was hat ein Feuermelder mit einer Kamera am Rande eines aktiven Vulkans zu tun, was eine Taxifunkzentrale mit der längsten Meeresbrücke der Welt? Oder die Optimierung von Geschäftsprozessen mit dem Sound aus den Lautsprechern der südafrikanischen WM-Stadien? Die Antwort heißt: Bosch Building Technologies – ein junger Geschäftsbereich, dessen Wurzeln aber 100 Jahre zurückreichen. Die Sicherheitstechnik von Bosch hat sich nicht, wie andere Sparten des Unternehmens, geradlinig aus einer kleinen Keimzelle entwickelt. Sie ist ein Kompetenzfeld, das aus Ton- und Bildübertragung, aus Telekommunikation und aus Alarmmeldetechnik hervorgegangen ist. Diese Techniken waren in den vergangenen Jahrzehnten in sehr verschiedenen Bereichen von Bosch angesiedelt.
Hanseatische Wurzeln
Der Ursprung der Sicherheitstechnik von Bosch liegt im Norden Deutschlands: 1920 wurde die Hanseatische Notruf AG gegründet. Sie entwickelte Alarmmeldetechniken und fungierte als Polizeinotruf-Empfangszentrale in Hamburg. Im Süden Deutschlands hatte das heutige Mutterunternehmen Bosch in jenen Jahren zahlreiche Neuerungen auf den Markt gebracht, die das Automobil alltagstauglich machen und ihm damit zum Erfolg verhalfen: Magnetelektrische Zündung samt Zündkerze, und ein elektrisches Bordnetz mit Generator und Batterie für Licht und Anlasser, später Horn, Winker und Scheibenwischer zum Beispiel. Aber der Weg des Automobilzulieferers sollte sich noch lange nicht mit dem des Notrufunternehmens kreuzen. Es lagen buchstäblich Welten zwischen den Produktportfolios.
Im Jahr 1935 übernahm die Telefonbau und Normalzeit GmbH, ansässig in Frankfurt am Main, die Hanseatische Notruf AG. Daraus sollte sich die erste Verbindung der Sicherheitstechnik nach Stuttgart ergeben. Denn Bosch übernahm die Telenorma, wie das Telefonbauunternehmen später genannt wurde, mehrheitlich schrittweise ab dem Jahr 1981.
Vielseitige Erfahrungen in der Nachrichtentechnik
Die Vorgänger
Im Rückblick lässt sich erkennen, dass Bosch schon zuvor verschiedene für die Gebäudetechnik wichtige Kompetenzfelder aufgebaut hatte. Denn längst waren mit der Diversifizierung neue Technologien jenseits des Automobilgeschäfts erschlossen worden. So haben zum Beispiel die Pionierleistungen von Bosch in der Bild- und Tonübertragung die Bildung von Know-how initiiert, das selbst für heutige Videotechnik von Bedeutung ist. So machte Bosch mit Partnerunternehmen ab 1929 die Fernsehaufzeichnungstechnik serienreif, drei Jahre später entwickelten Ingenieure aus Stuttgart das erste Autoradio Europas. Seit 1954 lieferte Bosch Funkgeräte, ab den 1980er Jahren auch Autotelefone in Serienfertigung. Erfahrungen in der Nachrichtentechnik kamen also letztlich der Gebäudetechnik zugute.
Bosch Telecom und Communication Center
Im Zuge der schrittweisen Übernahme der Telenorma und der ANT, eines Herstellers von Kommunikationssystemen für öffentliche Netze sowie Luft- und Raumfahrt, formte Bosch all diese Aktivitäten 1989 zum Unternehmensbereich Telekommunikation, der den drei Traditionssparten Kraftfahrzeugtechnik, Industrietechnik sowie Gebrauchsgüter und Gebäudetechnik (damals Thermotechnik und Elektrowerkzeuge) gleich geordnet war.
Die Geschäftsfelder dieses neuen Unternehmensbereichs, der wenig später in „Bosch Telecom“ umbenannt wurde, waren vor allem Telefone und Telefonanlagen, private und öffentliche Netze, Luft- und Raumfahrttechnik. Hinzu kam Mobile Kommunikation, darunter zusammengefasst Autoradios, Navigationssysteme und Mobiltelefone. Dazugehörend war aber auch ein Produktbereich namens Sicherheitstechnik, der sich hauptsächlich mit der Gebäudesicherung beschäftigte – der Vorläufer der heutigen Bosch Building Technologies.
Nachdem sich die Bosch Telecom zunächst positiv entwickelt hatte und zeitweise rund 25 Prozent zum Gesamtumsatz von Bosch beitrug, verschlechterten sich die geschäftlichen Aussichten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre. Die Sicherheitssparte jedoch blieb davon ausgenommen. Sie brachte in dieser Zeit wichtige Neuheiten auf den Markt: die Universelle Notruf- und Brandmeldezentrale UEZ oder das Videospeicherungs- und Überwachungssystem ViStar.
Zudem wuchs das Dienstleistungsgeschäft rund um die Bearbeitung von Notrufen und Störmeldungen aus stationären Objekten wie Gebäuden, Aufzügen oder industriellen Anlagen. Dies begann 1985 mit der Errichtung zweier Sicherheitsleitstellen in Köln und Frankfurt.
Das war der Anfang der Bosch Communication Center, aus denen 2016 der heutige Geschäftsbereich Bosch Service Solutions GmbH entstand. Er widmet sich der Entwicklung von innovativen, technologiegetriebenen Service-Lösungen. Das Thema Notrufe spielt hier noch immer eine wichtige Rolle. Beispielsweise setzen inzwischen über zehn Automobilhersteller in 56 Ländern den Bosch eCall-Service erfolgreich ein.
Die Geburtsstunde des Geschäftsbereichs Gebäudetechnik
Während sich Bosch von der Kommunikationstechnik nach 2000 Schritt für Schritt trennte, blieb die Sicherheitstechnik als erfolgreiche Sparte im Unternehmen. Allerdings musste sie unter ein neues organisatorisches Dach gestellt werden. Das war die Geburtsstunde des Geschäftsbereiches Sicherheitssysteme im Jahr 2002 – heute Building Technologies.
Gezielt verbreiterte dieser Bereich jetzt sein Know-how. Noch vor 2000 waren die Bosch-Sicherheitssysteme vor allem auf das Anlagengeschäft in Deutschland ausgerichtet. Darüber ist sie seither weit hinausgewachsen – aus eigener Kraft, aber auch durch Akquisitionen.
Insbesondere betrifft dies den Kauf von Unternehmen, um das Know-how in bestimmten Geschäftsfeldern zu stärken und die Produktbandbreite der Sparte Sicherheits- und Kommunikationssysteme zu vergrößern. Zu den wichtigsten Übernahmen zählen Detections Systems (2001), Philips Communication Security & Imaging (2002), Video Communication Systems AG (2004), ADC Technologies International (2005), TeleAlarm Group und Telex Communications (2006) sowie Extreme CCTV (2008). Heute gehört der Geschäftsbereich Bosch Building Technologies zu den großen Anbietern im internationalen Produktgeschäft – vor allem im wachstumsstärksten Segment der Branche, der Videotechnik.
Systemintegration, Vernetzung, Künstliche Intelligenz
Die Strategie des Bereichs zielt heute auf die Systemintegration, ob es Lüftungs- Brandmelde- oder Videoanlagen für Gebäudekomplexe sind. Zu dieser Strategie gehört auch die Vernetzung der Technik durch das Internet der Dinge und künstliche Intelligenz (KI): Geräte können auf die Information anderer Geräte zurückgreifen, miteinander kommunizieren. Sie können aus komplexen Informationen Rückschlüsse ziehen – und Reaktionen in Gang setzen. KI-gestützte Videokameras zum Beispiel sind in der Lage, durch Bildauswertung Rauchentwicklung weitaus früher zu erkennen als das bisher mit herkömmlichen Rauchmeldern möglich ist.
Autor: Dietrich Kuhlgatz