Bosch-Dieseltechnik für den Massenmarkt
Verteilerpumpen für Personenwagen als Erfolgsmodell
Bis vor einem halben Jahrhundert wurde der Dieselantrieb meist für Nutzfahrzeuge eingesetzt. Nur wenige Autohersteller setzten auf den Selbstzünder. Das änderte sich vor 50 Jahren mit einer neuartigen und kostengünstigen Einspritztechnik in Großserie, der Verteilerpumpe. Für den Dieselantrieb läutete das den Weg zum Massenphänomen in Personenwagen ein.
Verbrauch um ein Viertel reduziert
Seit rund einem Jahrzehnt stehen weltweit die Zeichen auf Elektrifizierung von Personenwagen. Elektrisch angetriebene Autos werden in absehbarer Zeit solche mit Verbrenner-Antrieb ablösen. Dabei hat Verbrenner eine lange Geschichte: Beim Diesel gehen die Anfänge knapp ein Jahrhundert zurück. Und Bosch brachte Ende 1927 die erste Dieseleinspritztechnik für Nutzfahrzeuge in Serie. Mit ihr ließ sich der Verbrauch um mehr als ein Viertel reduzieren. Und schon im selben Jahr wurde mit ersten Diesel-Personenwagen experimentiert, knapp ein Jahrzehnt später der erste Diesel-Pkw in Serie der Öffentlichkeit vorgestellt.
Noch kein Erfolg des Diesels im Pkw
Der Erfolg der ersten Diesel-Pkw blieb jedoch noch überschaubar. Zu laut und im Vergleich zum Benziner zu wenig leistungsstark waren die Hauptkritikpunkte. Aber der niedrige Verbrauch war ein Argument, das das Interesse der Automobilindustrie am Diesel für Personenwagen immer wieder neu entfachte.
Bis in die 1970er Jahre hatte sich das Gefüge aus Benzinmotoren im Pkw und Dieselmotoren im Lkw kaum verändert. Diesel im Pkw gab es nur in wenigen Modellen von Peugeot und Mercedes-Benz. Ein gravierender Nachteil zeigte sich schon in den technischen Daten. 35 Sekunden für die Beschleunigung von null auf 100 Stundenkilometer ließ Spritzigkeit vermissen. Und noch ein Punkt kam erschwerend dazu. Die robuste und bewährte Technik der Reihenpumpen rangierte in einem hohen Preis-Segment.
Doch vor einem halben Jahrhundert bekam der Diesel-Pkw neuen Auftrieb. Der Volkswagen-Konzern hatte den VW Golf eingeführt. Dieser neue Kompaktwagen konnte ab 1975 mit einem Dieselmotor geordert werden. Dies war auch eine Reaktion auf die erste Ölkrise 1973, in der sich die Abhängigkeit der Industrieländer von Erdölexporteuren gezeigt hatte. Es zeichnete sich die Erkenntnis ab, dass gerade im motorisierten Verkehr dringend Konzepte zum Ressourcensparen nötig waren. Boschs Serieneinführung der Verteilerpumpe 1975 war eine gute Antwort darauf.
Um die Technik überhaupt erschwinglich zu machen, hatte Bosch eine völlig neue Einspritztechnik mit einer Verteiler- statt Reihenpumpe entwickelt.
Verteilerpumpe als Option
Die Entwicklung einer günstigen, leichten und in kleine Motorräume integrierbaren Pumpe hatte schon gut ein Jahrzehnt vorher begonnen. Bosch erwarb technisches Know-how für Verteiler-Einspritzpumpen und startete 1962 den ersten Serienanlauf. Allerdings war die Fertigung komplex, die Funktionsprüfung aufwändig, und die Konstruktion nur mit hohem Aufwand für unterschiedliche Zylinderzahlen applizierbar. Darüber hinaus entsprach die Zuverlässigkeit nicht den sehr hohen Ansprüchen der Dieselkunden. Motor und Einspritztechnik mussten robust sein, da sie oft in Fahrzeugen mit sehr hoher jährlicher Laufleistung eingesetzt wurden. Dies erforderte bei Bosch einen langen Reifungsprozess mit einem hohen Grad an eigenen Entwicklungsaktivitäten.
Diesel als „Millionseller“ im Pkw
Aber das Grundprinzip war überzeugend und wert, es bis zur Serienreife 1975 weiterzuverfolgen. Die neue Pumpe, bei Bosch intern „VE“ genannt, war letztlich der Schlüssel zur „Demokratisierung“ des Dieselantriebs. Der einstmals sehr teure Antrieb war dank der neuen Technik preisgünstiger. Es war es nicht verwunderlich, dass nach Volkswagen die meisten europäischen Hersteller nachzogen und Diesel-Pkw anboten.
Der Erfolg zeigte sich an den Zahlen: Bosch hatte bis 1975 rund 550 000 Reihenpumpen jährlich hergestellt. Bei Verteilerpumpen waren es zehn Jahre später schon gut 2,8 Millionen. Das Angebot war offenbar passend für Automobilkunden, denen es auf hohe Leistung weniger ankam als auf niedrigen Verbrauch, die sich aber nur einen Klein- oder Kompaktwagen leisten konnten. Die kleinen Einschränkungen bei Lautstärke und Komfort waren sie offenbar bereit zu akzeptieren.
Perfektionierung und neue Perspektiven
Diese Entwicklung war zunächst vor allem ein europäisches Phänomen. Aber der VW Golf mit dem sparsamen 50-PS-Motor wurde auch zum Exporterfolg. Doch es dauerte noch rund 20 weitere Jahre, bis diese Motoren das Leistungsniveau von Benzinern erreichten, und Technik wie Common Rail sie nochmal weitaus sparsamer und deutlich leiser machten. Dies waren Faktoren, die um das Jahr 2000 zu Anteilen von über 50 Prozent Diesel-Pkw in manchen Ländern führte.
In Europa haben die Verkaufszahlen von Dieselmotoren ihren Zenit überschritten, elektrische Antriebe stehen mit ihnen in einem Verdrängungswettbewerb, auch weil sie potenziell fast emissionsfrei fahren können und daher effizienter für den Kampf gegen den Klimawandel sind. Aber eines haben die Antriebsarten gemeinsam: In beiden Technologiepfaden hat Bosch gezeigt, dass das Unternehmen die richtigen Konzepte zur richtigen Zeit entwickeln kann.
Autor: Dietrich Kuhlgatz