Analog, digital, vernetzt
Bosch Automobilelektronik im Rückblick
Es begann mit einer visionären Idee: Das erste Patent für ein Elektronikprodukt, eine Zündanlage für Motoren, die mit Elektronenröhren gesteuert wurde, meldete Bosch vor über 100 Jahren an. Aus der Sache wurde nichts, denn die Röhren wären beim Einsatz schnell kaputtgerüttelt geworden. Aber aller Anfang ist schwer.
Die Erfolgsgeschichte begann für Bosch dann erst vor gut 60 Jahren mit der Halbleitertechnik, die Elektronik für das Auto serienfähig machte. Entwicklung und Herstellung waren anspruchsvoll, aber die elektronischen Helfer haben Technik zuverlässiger, leistungsfähiger und günstiger gemacht. Bosch wäre heute als Global Player ohne Halbleiter und Elektronik nicht denkbar, aber der Weg dorthin war steinig.
Warum steigt ein Unternehmen eigentlich in eine Sparte ein, in der sich niemand im Unternehmen wirklich auskennt und es keine verwertbaren Erfahrungen gibt? Bei Bosch war die Ausgangslage eigentlich ganz simpel. Von den damals neuartigen Halbleiterbauteilen versprach man sich, dass sie neue attraktive Produkte ermöglichen würden, zudem mehr Zuverlässigkeit, weniger Wartung oder Reparaturen an der Technik im Auto.
Das Auto tiefgreifend besser zu machen, das war eine verlockende Zukunftsoption. Aber Bosch musste Halbleiterbausteine einkaufen, die für die Unterhaltungselektronik entwickelt worden waren. Die entscheidende Frage war also, wie sich die nötige Zuverlässigkeit für die rauen Bedingungen im Fahrzeug sicherstellen lässt. Halbleitertechnik im Fernseher muss keine Temperaturspanne zwischen arktischer Winterkälte und 100 Grad Hitze überstehen; im Motorraum muss sie das schon können.
Vor diesem Hintergrund traf Bosch in den 1950er Jahren die Entscheidung, die Entwicklung von Halbleiterelementen für Automobile in die eigene Hand zu nehmen und von vornherein für die harten Bedingungen im Auto auszulegen. Das erste Halbleiterpatent meldete Bosch 1958 an. Es war eine Halbleiterdiode, eingesetzt in einem Lichtmaschinenregler. Das war ein großer Schritt zur Neuerfindung des Unternehmens, denn traditionell lag die Stärke von Bosch in der Herstellung hochwertiger mechanischer Erzeugnisse. Nur der Aufbau breiter Expertise im Unternehmen, das war nach wie vor eine Herausforderung.
Schaltkreise für das Auto ab Mitte der 1960er Jahre, den so genannten ASICs. Da die Elektronik im Fahrzeug besonders hohen mechanischen und klimatischen Beanspruchungen ausgesetzt ist, hat ein Integrierter Schaltkreis einen entscheidenden Vorzug. Er macht die Bündelung hunderter Funktionen in einem Bauelement möglich: Das Risiko des Ausfalls einzelner Funktionen sinkt enorm. Um solide Halbleiterprodukte zur Verfügung zu haben, verließ sich Bosch nicht auf Zulieferer, sondern baute eine eigene Fertigung auf.
Elektronik war ja für die Kunden aus der Automobilindustrie Neuland, und so durfte sich Bosch zur Sicherung der Qualität nicht ausschließlich auf Lieferanten verlassen. Die Etablierung einer neuen Technologie stand auf dem Spiel. Dem Einsatz der Elektronikbauteile bei Generatoren oder Zündung folgte anspruchsvollere Elektronik, wie Benzineinspritzung. Bei ihr ging es um die Beherrschung komplexer Abläufe: Wieviel Kraftstoff wird abhängig von welchen Randbedingungen dem Motor zugemessen, damit er optimal funktioniert, bei geringen Emissionen und Verbrauch.
Die elektronische Benzineinspritzung Jetronic, maßgeblich vom späteren Unternehmenschef Hermann Scholl entwickelt und 1967 auf den Markt gebracht, war ein wichtiger Meilenstein beim Weg der Automobilelektronik zum Erfolg, ermöglichte sie doch das Einhalten strengster Emissionsstandards und war damit eine Blaupause für künftige Entwicklungen.
In dieser Zeit stellte Bosch nicht nur zunehmend anspruchsvollere Elektronik her, sondern baute mit einem Fertigungswerk für halbleiterbasierte Elektronik in Reutlingen auch einen Zulieferer im eigenen Haus auf, aus dem der 1974 gegründete heutige Geschäftsbereich Automotive Electronics hervorging.
Der analogen Elektronik mit Hunderten einzelner Bausteine in einem Steuergerät und der Bündelung vieler Funktionen in den Integrierten Schaltkreisen folgte in den 1970er Jahren die digitale Elektronik, mit programmierbaren Speichern und Mikroprozessoren. In dieser Zeit verfestigte sich der Konsens über die Notwendigkeit, dass für Bosch ein breites Angebot an elektronischen Funktionen im Auto eine unumgängliche Zukunftsstrategie war. Allerdings erwies sich die traditionelle Leiterplattentechnik mit aufgelöteten Bausteinen als Schwachstelle. Und wenn ein Ausfall den teuren Wagen auf die Standspur zwingt, ist nicht nur der Hersteller in Erklärungsnot, sondern auch die Reputation eines Zulieferers wie Bosch gefährdet. Einen Ausweg bot die Hybridtechnik mit eingebrannten Funktionen auf einem Keramiksubstrat, mit wesentlich komplizierterer Fertigungstechnik, aber deutlich besserer Zuverlässigkeit und Lebensdauer.
Eine maßgebliche Neuerung präsentierte Bosch beim Motormanagement: 1979 brachte Bosch mit der Motronic erstmals eine digitale Motorsteuerung in Serie, die gleichzeitig Zündung und Benzineinspritzung steuerte. Als erstes, für das Fahren notwendige System im Auto verfügte die Motronic über ein frei programmierbares Steuergerät. Die Software erlaubte Flexibilität und konnte für die Nutzung desselben Steuergerätes für ein anderes Automodell geändert werden. Der Computer hielt Einzug ins Auto. Ab Ende der 1970er Jahre brachte Bosch vermehrt Systeme auf den Markt, die dazu dienten, Unfälle zu verhindern oder deren Folgen zu mildern. Das Antiblockiersystem ABS von 1978 ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Airbagsteuerung von Bosch, die 1980 in Serie ging. Das Elektronische Stabilitätsprogramm ESP® war sogar in der Lage, ein Fahrzeug auf Kurs zu halten, wenn der Fahrer die Kontrolle zu verlieren drohte.
Doch mit Airbag, ABS und Motronic an Bord stellte sich die Frage, wie alle elektronischen Systeme angesichts separater Steuerung über kilometerweise Kabel mit einander vernetzt werden können, wie man es schafft, dass ihre Funktionen aufeinander abgestimmt sind, ineinandergreifen und miteinander agieren? In diese Richtung gingen in den 1980er Jahren die Überlegungen für ein einheitliches Datenprotokoll zur Informationsübermittlung im Auto, bis zur Serieneinführung des Controller Area Network CAN 1991. Es ermöglichte einen schnellen und zielgenauen Informationsaustausch zwischen Sensoren, elektronischen Steuergeräten und Aktuatoren – den ausführenden Ventilen oder Schaltern. Dazu gehörte auch eine Vorfahrtregelung für das Wichtigste: zum Beispiel, binnen Mikrosekunden das ESP gegen drohendes Schleudern des Autos zu aktivieren, bevor etwa eine weniger kritische Funktion berücksichtigt wird.
Um die optimale Funktion der Elektronik zu erreichen, kommt ein weiterer Teilnehmer ins Spiel: die Sensorik. Ein besonderer Meilenstein sind dabei die seit den späten 1980er Jahren entwickelten mikromechanischen Sensoren (MEMS), die Bosch für die Kraftfahrzeugtechnik nutzbar machte. Die kleinen Helfer, zum Teil nur 1,5 Millimeter groß und mit beweglichen Strukturen, haben Bosch den Weg zum Marktführer bei Sensoren für Automobile geebnet. Ein großer Vorteil: MEMS lassen sich in einem ähnlichen Verfahren herstellen wie elektronische Schaltungen. Beide Produkte werden in einem aufwändigen fotochemischen Verfahren tausendfach auf eine große Siliziumscheibe, den so genannten Wafer, aufgebracht und dann in die einzelnen Bauelemente, auch Chips oder Mikrochips genannt, zertrennt. Für die MEMS hat Bosch einen neuartigen Plasmaätz-Fertigungsprozess entwickelt, mit dem die winzigen beweglichen Strukturen exakt ausgebildet werden können. Er ist heute ein weltweiter Standard in der Mikroelektronik und als „Bosch-Prozess“ bekannt.
Auf den Schultern der technischen Lösungen, die in der Automobilelektronik bei Bosch in den vergangenen rund 60 Jahren entstanden, ruhen viele Zukunftsszenarien des Fahrens, die wir uns vor einem Jahrzehnt kaum ernsthaft vorstellen konnten und von denen einige schon Realität sind: Das Auto fährt auf Fahrerwunsch selbsttätig und es beginnt, internetbasiert Daten mit anderen Fahrzeugen selbstständig auszutauschen, alles mit dem Ziel, Unfälle zu verhindern, den Verkehr zu entzerren und Energie zu sparen.
Auch in Zukunft bleibt Elektronik im physischen Sinne die technische Grundlage für internetbasierte Mobilitätslösungen, mit vernetzten Steuergeräten, Sensoren, Aktuatoren und auch für die künstliche Intelligenz, die elektronische Systeme lernen lässt und bei Ressourcenschonung und Unfallvermeidung hilft.
Zeitzeugen der Elektronikentwicklung bei Bosch berichten
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Autor: Dietrich Kuhlgatz