Ideen für die Zukunftssicherung
Ein Blick in die Vergangenheit
Über lange Sicht bleibt in einem Unternehmen wie Bosch kaum etwas wie es ist. Egal ob es Krisen, technologische Paradigmenwechsel oder Marktbedürfnisse sind, für all diese Herausforderungen müssen Werkzeuge entwickelt werden. Zu dieser Erkenntnis kamen helle Köpfe bei Bosch schon vor über 90 Jahren. Sie entwickelten strategische Ansätze, die heute noch gültig sind, um das Unternehmen voranzubringen.
„Die Robert Bosch A.G. wird den heutigen Tiefstand, der an sich nur langsam sich bessern wird, nicht nur überwinden, sondern sie hat die Kraft in sich, sich die alte Weltgeltung zu bewahren und aufs Neue zu befestigen.“
Nach vorne blicken, weitermachen, das wollte Robert Bosch seiner Belegschaft zum 40-jährigen Jubiläum des Unternehmens 1926 mit auf den Weg geben. Bosch befand sich aufgrund einer schweren Krise in der Automobilindustrie in einer sehr angespannten Situation und hatte die Hälfte der knapp 14000 Mitarbeiter entlassen müssen.
Das waren gut ausgebildete Facharbeiter, die fehlten als es wieder aufwärts ging. Doch der nächste Einbruch ließ am Ende der krisengeschüttelten 1920er Jahre nicht lange auf sich warten. Der „Schwarze Freitag“ im Oktober 1929 stürzte die Wirtschaftswelt in die Katastrophe und die Automobilindustrie und deren Zulieferer gerieten mit in den Abwärtsstrudel.
Reaktion auf die Krise
Bosch reagierte 1930 mit der Gründung einer neuen Abteilung, dem Büro der Technischen Hauptleitung (BTH3). Deren Aufgabe war es, neue und schnell umsetzbare Geschäftsideen zu finden, die Bosch weniger von der Automobilindustrie abhängig machen sollten, um so Schwankungen in der Beschäftigung auf einem niedrigen Niveau zu halten. Robert Bosch hatte die Verantwortung für seine Mitarbeiter von Anfang an sehr ernst genommen und notwendig werdende Massenentlassungen lagen ihm schwer auf der Seele. Die Unternehmenskultur war eine andere. Das BTH3 machte sich also an die Arbeit, schnell Alternativen zu finden, die die Auswirkungen der Krise abmildern helfen sollten. Produkte komplett neu zu entwickeln, kam nicht in Frage, die dazu benötigte Zeit war in der prekären Situation nicht mehr vorhanden.
Fünf Lösungsansätze
Deshalb setzte Bosch auf fünf Strategien, die das BHT3 in einem 1940 vorgelegten Bericht wie folgt zusammenfasste: Ideen Dritter aufgreifen und weiterentwickeln, Patentankäufe, Übernahme von Betriebsteilen anderer Firmen, Übernahme ganzer Firmen, Lizenzvergaben innerhalb und außerhalb Deutschlands. Die Übernahme der Thermotechniksparte von Junkers 1932 wäre ein Beispiel, die Vergabe von Lizenzen zur Produktion in Japan, Australien, Großbritannien und Frankreich zwischen 1928 und 1939 ein anderes. Die Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb Deutschlands bot viele Vorteile. Bosch bekam durch die Firmen Zugang zum Markt und profitierte von der zunehmenden Bekanntheit beim Absatz von anderen Produkten auch. Expertise mit internationalen Partnern im technischen und organisatorischen Bereich auszutauschen, erwies sich als ungemeine Bereicherung fürs Geschäft.
Fokus auf Forschung und Entwicklung
Gleichzeitig hielt der Bericht aber auch fest wie wichtig es sei, in Phasen der wirtschaftlichen Erholung, wenn die Bänder ununterbrochen liefen und die Aufträge fast nicht zu bewältigen waren, gleichzeitig Vorsorge zu treffen und die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten nicht zu vernachlässigen. Das BTH3 regte in seinem 1940 vorgelegten Bericht eine „Research Corporation“ an, die aus dem Alltagsgeschäft herausgenommen würde und eigene Produktionsmöglichkeiten nur für Neuentwicklungen und zu testende Produkte bekommen sollte. Diese Ideen fielen bei Bosch auf fruchtbaren Boden, denn sie stellten sich als zeitlose Methoden für das erfolgreiche Überleben auch der schlimmsten Wirtschaftskrisen heraus.
„Not invented here“
Wer einen Blick in die jüngere Vergangenheit bei Bosch wirft, findet viele dieser Ansätze in Grundzügen wieder. Ihre Umsetzung ist noch globaler geworden. Aber die Kernsubstanz ist geblieben. Dafür gibt es bei Bosch viele Beispiele aus dem vergangenen halben Jahrhundert. Ein entscheidender Faktor ist es, die Hemmschwelle des „not invented here“ bei Neuerungen, die nicht im eigenen Unternehmen entstanden sind, zu überwinden.
Das erfordert die Einsicht, nicht alles besser machen zu müssen, sondern von der Expertise anderer zu profitieren. Bei der elektronischen Benzineinspritzung, die 1967 auf den Markt kam, praktizierte Bosch ein so genanntes „Cross-Licensing“. Bosch stellte geschütztes eigenes Wissen einem US-Wettbewerber zur Verfügung und bekam im Gegenzug Zugriff auf dessen geistiges Eigentum. Nur so konnte Bosch 1967 das weltweit erste erfolgreiche elektronische Benzineinspritzsystem in Großserie auf den Markt bringen, das innerhalb weniger Jahrzehnte zum Standard in der Autoindustrie wurde.
Auf Wissensträger außerhalb setzen
Die Kompetenz anderer technologieführenden Unternehmen kann aber auch weit ausgeprägter genutzt werden. Das kann bedeuten, dass Bosch sich bei neuen Geschäftsfeldern auf das konzentriert, was das Unternehmen am besten kann, und Komponenten oder Subsysteme bei Spezialisten bezieht. So ist es zum Beispiel beim Zukunftsfeld der Brennstoffzellentechnik mit Wasserstoff. Diese Technik macht klimaneutrale Energieerzeugung möglich, ein Feld, in dem Bosch unbedingt eine führende Rolle spielen will, bei stationären Kraftwerken ebenso wie bei Fahrzeugen. Bosch kann das Innovationstempo aber nur mitbestimmen, wenn das Unternehmen den angemessenen Grad an Wertschöpfung findet. Deswegen hat Bosch für die so genannten Stacks, Kernstücke für die Stromerzeugung mit Wasserstoff, auf den schwedischen Partner PowerCell gesetzt, um auf Basis dieses Gemeinschaftsprojekts die Fertigung zu industrialisieren. Ein Alleingang hätte wertvolle Zeit im Wettbewerb um eine führende Rolle in der Wasserstofftechnologie gekostet. Im Fokus steht die Systemkompetenz, und die baut Bosch in allen anderen wichtigen Feldern des neuen Produktbereichs selbst auf, mit eigenen Expertinnen und Experten und dem gebündelten technologischen Wissen im Unternehmen.
Wissen und Erfahrung ans Unternehmen binden
Wenn jedoch künftige Megatrends erkannt werden und grundsätzliches Know-how erforderlich ist, das es im Unternehmen weiterzuentwickeln gilt, führt oft der Weg an der Akquise nicht vorbei. So erwarb Bosch 2008 die Software Innovations GmbH. Sie war zu diesem Zeitpunkt ein führendes Unternehmen für Softwarelösungen für das Internet der Dinge. Diese Lösungen sind sowohl im Themenfeld Industrie 4.0 wichtig, sie spielen aber auch in der Mobilität eine zunehmende Rolle. Sie ermöglichen Kommunikation zwischen Maschine und Systemen, die in der Industrie Ausfälle verhindern und die Produktivität steigern können, und in der Mobilität oder bei Konsumgütern Ressourcen sparen oder Sicherheit oder Praktikabilität erhöhen.
Nach der Übernahme formte Bosch die neue Geschäftseinheit schnell zu einem Kompetenzzentrum, dass in verschiedenen Geschäftsbereichen von Bosch aktiv ist und heute zur Geschäftseinheit Bosch Digital gehört.
Methoden wie diese hat Bosch schon vor über 90 Jahren praktiziert, und manche der Ideen sind für heute wie morgen aktuell.
Autoren: Christine Siegel / Dietrich Kuhlgatz