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Geschichte

Geschichte des Bosch-Produktdesigns

Alles schön und gut

Ein Mann steht an einem Zeichenbrett.

Dass Robert Bosch modernen Techniken interessiert gegenüberstand, ist bekannt. Dass er aber auch großen Wert auf die „gute Form“ seiner Produkte legte, vielleicht weniger. „Design“ bedeutete ihm aber weitaus mehr als nur ein ästhetisch ansprechendes Aussehen. Denn es war und ist bis heute für den Verkaufserfolg des Unternehmens maßgeblich.

Neue Techniken – alte Formen

Dafür gab es gute Gründe. Bosch hatte sein Unternehmen Anfang des 20. Jahrhunderts in einer Zeit des technologischen Umbruchs zum Erfolg geführt. Die handwerkliche Herstellung von einzelnen Produkten war mit der Industrialisierung zunehmend zugunsten der Herstellung von gleich aussehenden Massenwaren durch Maschinen gewichen. So neu die Produkte auch waren, ein neues Design erhielten sie nicht. Es war stattdessen am Geschmack des 19. Jahrhunderts orientiert, das unterschiedliche Stile unzusammenhängend mischte. Dies führte zu Reformbewegungen. Unter ihnen sollte der 1907 gegründete „Deutsche Werkbund“ eine herausragende Stellung einnehmen.

Robert Bosch war ein großer Anhänger des Werkbundes. Er unterstützte diesen finanziell, denn er sympathisierte mit dessen Ziel: Industrielle, Handwerker und Künstler entwickeln gemeinsam die Form eines Produktes und bestimmen die Wahl des Materials aus dessen Funktion heraus. Unnötiger Zierrat weicht zugunsten der Einfachheit der Form. Die „gute Form“ sollte aber auch die Gesellschaft „sittlich und sozial erneuern“ und, wie Robert Bosch es 1927 formulierte, „gute mustergültige Waren und Formen hinausbringen“. Der Werkbund verfolgte zudem handfeste, wirtschaftliche Ziele. Denn man versprach sich von der „guten Form“ eine herausragende Position deutscher Produkte auf dem Weltmarkt. Kein Wunder also, dass in den 1920ern große Firmen in Deutschland die Gestaltung ihrer technischen Produkte in den Fokus rückten. So auch Robert Bosch und seine Konstrukteure.

„Die gute Form soll gute mustergültige Waren und Formen hinausbringen.“
Robert Bosch, 1927

Eine bessere Lösung scheint unmöglich

Auch der Bosch-Entwicklungsleiter Gottlob Honold war von diesem Konzept begeistert. 1918 schwärmt er: „Die Bosch-Konstruktion erkenne ich darin, dass jedes Einzelteil, auch das kleinste und scheinbar unwesentliche, hinsichtlich Wahl des Rohstoffs, der Form und der Maße so eingehend geprüft und überlegt ist, dass eine bessere Lösung unmöglich erscheint.“ Robert Bosch selbst hatte seine Konstrukteure angewiesen, „für jede mechanische Konstruktion ruhig-schöne Linienführung bewusst anzustreben“. So mussten diese fortan neben der technischen Zuverlässigkeit auch auf die Formschönheit ihrer Produkte achten.

Das Ergebnis dieser Bemühungen lässt sich an der Entwicklung der Magnetzünder zwischen 1902 und 1924 gut erkennen.

Mit der „guten Form“ zum Kassenschlager

Die Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel von schöner Form und Funktionalität hatte in den 1950ern mittlerweile verschiedene Designstile hervorgebracht. In Deutschland behauptete sich jedoch die sachliche, dem Zweck und dem Material entsprechende Form. Am „Industrie Design“ kam längst kein Unternehmen mehr vorbei.

Die Entwicklung der Bosch-Küchenmaschine von 1951 gibt anschaulich die Komplexität der Erwartungen an das Design wieder. Es musste ihre hohe Qualität und technische Zuverlässigkeit in gefälligen Formen zum Ausdruck bringen. An ihrer Entwicklung waren sowohl Konstrukteure als auch ein „Formgestalter“ beteiligt. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und avancierte schnell zum Kassenschlager. Für viele Jahre sollte der Name Bosch auch mit der „Bosch-Küchenmaschine“ assoziiert werden. Gelungenes Design trug somit entscheidend zur Prägung des Images von Bosch bei. Nicht mehr wegzudenken in Zeiten des aufkommenden Massenkonsums und zunehmender Konkurrenz.

Die Bosch-Küchenmaschine

Teil einer Küchenmaschine.
Alle wesentlichen Teile sind bereits zu sehen: der senkrecht stehende Motor mit Vorrichtung für den Mixbecher, die Grundplatte in dreieckiger Form, der Schalter und die Kabeleinführung. Zum Aufsetzen des Fleischwolfes ist die Maschine zu beiden Seiten kippbar.
Küchenmaschine.
Hier wählte man eine viereckige Grundplatte. Nachteil: Die Maschine ist nur noch nach einer Seite kippbar.
Teil einer Küchenmaschine.
Formvorschlag eines Ingenieurs, bei dem ein einheitliches Gehäuse verwirklicht ist, allerdings noch mit viereckiger Platte. Dieser Vorschlag zeigt die gezeichnete Form eines Ingenieurs, alle Konturen sind Geraden oder Kreisbögen.
Teil einer Küchenmaschine.
Erstmaliger Vorschlag eines Formgestalters. Er gibt der Maschine eine neuartige Gestalt mit etwas trapezförmigem Grundriss und stark gerundeten Formen. Das Element der teilweisen Umfassung der Schüssel durch das Gehäuse wird übernommen werden.
Küchenmaschine.
In der Betonung der geraden Mantellinie des Motorgehäuses ist wieder der Einfluss des Konstrukteurs zu erkennen.
Küchenmaschine.
Vorschlag des Formgestalters: dreieckige Grundform mit stark gerundeten, „wischglatten“ Formen. Schalter und Kabeleinführung sind wieder auf der Symmetrielinie, so dass zweiseitig gekippt werden kann. Die Kippmöglichkeit ist durch die Leisten aus Kunststoff an den Füßen optisch deutlich gemacht.
Küchenmaschine.
Mit einer weniger stark massigen Motorpartie haben die Konstrukteure und der Formgestalter schließlich zur endgültigen Form gefunden.
Küchenmaschine auf der Seite liegend.
Die endgültige Maschine gekippt mit Fleischwolf.
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Gut in der Hand

In den kommenden Jahren änderten sich einige Kriterien bei der Gestaltung eines Produktes, neue Aspekte kamen dazu. So nutzte man zum Beispiel verstärkt die Wirkung von Farben, wie dunkel für schwer und hell für leicht.

Vor allem aber ermöglichte die rasante Entwicklung neuer Materialien und Technologien völlig neue Ansätze bei der Gestaltung eines Produktes. Die Veränderungen umfassten auch die Arbeitsmethoden selbst. Statt am Zeichenbrett saßen Designer zunehmend am Computer, wo sie ab den 1970er auch dreidimensionale Objekte erstellen konnten.

Designer hatten Hochkonjunktur und boten ihre Dienste auch Industrieunternehmen an.

Für Bosch-Elektrowerkzeuge sollte die Zusammenarbeit mit dem Designer Erich Slany ab den 1960er Jahren prägend werden. Slany verwendete für die Gestaltung von Bohrmaschinen völlig neue Materialien und ummantelte sie mit Kunststoffgehäusen. Zudem führte er ergonomische Kriterien bei der Gestaltung eines Elektrowerkzeuges ein, damit es auch gut in der Hand lag.

Die Entwicklung der Bosch-Bohrmaschinen zwischen den 1930ern und 1960ern zeigt, welch großen Einfluss neue Materialien auf die Gestalt, die Handhabung und die Sicherheit einer Bohrmaschine hatten.

Bohrmaschine.
Das Gehäuse aus Pressstoff (Duroplast) war ab 1932 relativ leicht und bot elektrische Sicherheit, das spröde Material konnte jedoch leicht brechen und schränkte die Gestaltungsmöglichkeiten ein.
Bohrmaschine.
Ab 1952 wurde gegossenes Aluminium verwendet. Es bot zwar eine hohe Stabilität, war aber auch recht schwer und wies zudem Mängel in der elektrischen Sicherheit auf.
Bohrmaschine.
Erich Slany verwendete ab 1960 eine völlig neue Werkstoff-Technologie. Der mit Kunststoff umspritzte Metallkäfig war elektrisch sicher, leitete wenig Wärme, war leicht, stabil und gut zu gestalten.
Bohrmaschine.
Ab 1965 bestand das komplette Gehäuse aus glasfaserverstärktem Polyamid, ebenfalls mit einem umspritzten Metallkäfig. Es ermöglichte zusätzlich eine Strukturierung der Oberflächen, die die Hände weniger beanspruchten und die Gestaltungsmöglichkeiten nochmals erweiterten.
Zeichnung Handfläche und Bohrmaschinengriff.
Neu war die ergonomische Berücksichtigung beim Gestalten: Darstellung der Kontaktflächen auf der Hand beim Umfassen des Bohrmaschinengriffs.
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Gut für die Emotionen

Das Design eines Produktes ist im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Faktor für den Erfolg von Bosch geworden. Das Unternehmen hat mittlerweile zahlreiche Auszeichnungen für seine Produktgestaltungen erhalten – allein zwischen 1950 und 1980 waren es 500.

Heute stehen abermals neue Kriterien im Mittelpunkt. So wird zum Beispiel nicht nur großer Wert auf nachhaltige Materialien gelegt. Das Design soll vor allem positive Emotionen beim Kunden wecken und Spaß bei der Bedienung machen, wie zum Beispiel das Fahren eines E-Bikes.

Aber unabhängig davon, was grade im Vordergrund steht. Von Anbeginn an ging es immer um die gelungene Verbindung zwischen Technik und Gestaltung. Dabei unterlagen die Geschmäcker, Anforderungen und technischen Möglichkeiten das 20. Jahrhundert hindurch großen Veränderungen. Ob nun aber die Form eines Produktes vorwiegend gut in der Hand liegt oder aber Freude bereitet - eines ist immer gleichgeblieben: Schön und gut sollen sie alle sein.

Autorin: Vera Dendler

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