Das Bosch Radlicht erstrahlt 1923
Am Anfang stand ein Nein!
Dunkelheit, Regen und Nebel konnten dem neuartigen Bosch Radlicht nichts anhaben: Es strahlte und sorgte für gute Sicht. Dadurch wurde Radfahren sicherer – und erschwinglich war das Bosch Radlicht selbst in schwierigen Zeiten.
„Nein, nein, nein. So ein Radlicht passt nicht zu uns! Nicht standesgemäß, zu unscheinbar!“ Vehement wehrte Direktor Max Rall die Vorschläge des Bosch-Konstrukteurs Steinhart zur Verbesserung der gängigen Fahrradlichter ab. Bosch produzierte Automobiltechnik: Zündsysteme und inzwischen auch Bosch-Licht, Batterie und Horn. Wie sollte hier nun ein Fahrradlicht dazu passen? 1923 erreichte im Nachkriegsdeutschland die schon mehrere Jahre andauernde Inflation ihren Höhepunkt. Geldvermögen wurden wertlos. Nicht nur Autos, auch Motorräder waren für den größten Teil der Bevölkerung unerschwinglich geworden. Wer mobil sein wollte oder musste, nutzte das Fahrrad.
Und hier zahlte sich Steinharts Hartnäckigkeit aus: Das Radlicht wurde für die Produktion freigegeben. Noch im Herbst 1923 präsentierte Bosch das neuartige Radlicht auf der Berliner Automobilausstellung. Ein auf dem Bosch-Stand verborgener Elektromotor bewegte ein Rad. Neugierig beobachteten die Messebesucher, wie das daran befestigte Radlicht, je nach eingestellter Geschwindigkeit, erstrahlte. Schon bei der recht langsamen Geschwindigkeit von fünf Stundenkilometern, die ein Radfahrer beim Schieben des Rads gut erreichen kann, erzeugte das Radlicht genügend Helligkeit.
Schon lange hatten Radfahrer Auto- und Motorradfahrer um ihre elektrischen Scheinwerfer beneidet. Die bisher üblichen Öl- und Karbidlampen verrußten leicht, waren aufwendig zu handhaben und wartungsintensiv. Das regensichere Bosch-Radlicht hingegen zeichnete sich neben gutem Licht durch geringes Gewicht, Wartungsfreiheit und leichten Einbau aus. Es bestand aus Dynamo, Scheinwerfer, Halterung und der Verkabelung. Sein Prinzip war einfach: Radfahrer drückten den Dynamo mit der Reibrolle an den Reifen an, und der Dynamo erzeugte beim Fahren oder Schieben zuverlässig den Strom für den Scheinwerfer.
Neben den technischen Vorteilen trug auch der verhältnismäßig kleine Preis zu dem großen Erfolg des Radlichts bei. Nach der Währungsbereinigung Mitte November 1923 war das Radlicht für 18 Rentenmark erhältlich – soviel kosteten fünf Kilogramm Kaffee. Technische Neuerungen ermöglichten viele Jahre den anhaltenden Erfolg des Bosch-Radlichts. Dennoch trennte Bosch sich ab 1960 von ihm. Seine Entwicklung war weitgehend ausgereizt und für Bosch hatten sich neue Wachstumsfelder aufgetan. Der viel später entstandene Slogan „Sauber, sicher, sparsam“, der sich auf ein ganz anderes Gebiet bezog, hätte auch zum Bosch-Radlicht gut gepasst.
Autorin: Angelika Merkle