Das Common-Rail-System
Eine Erfolgsgeschichte geht zu Ende – und doch weiter
Dies ist eine Erfolgsgeschichte, die nur scheinbar kein Happy End hat. Es ist die Geschichte von 25 Jahren Common-Rail-System, der meistverbreiteten Hochdruck-Dieseleinspritzung von Bosch. Das Common Rail hat Anfang der 2000er Jahre den Siegeszug des Selbstzünders in Europa ausgelöst. Mit der europäischen CO₂-Gesetzgebung stellt sich die Frage nach der Zukunft des Dieselmotors. Doch die nächste Erfolgsgeschichte von Bosch kommt bestimmt – es ist die Elektromobilität.
Einfach war schon die Vorgeschichte unserer Erfolgsgeschichte nicht. Es ist die Geschichte des Besuchs von Robert Bosch bei Rudolf Diesel gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Seinerzeit wollte die Selbstzündung nicht funktionieren, also sollte Bosch seinen Zündapparat an einem Dieselmotor erproben. Das Ergebnis war deprimierend: keine Leistung, stattdessen Rauchschwaden. Schon das Mittagessen der beiden Herren soll nicht ohne Verlegenheit abgelaufen sein. Robert Bosch hatte nur drei Mark im Geldbeutel und konnte doch einen Diesel nicht einfach „anpumpen“.
Viele Jahre später, wir schreiben 1927, war es Robert Bosch, der die Dieseleinspritzpumpe in einem Lastwagen auf die Straße brachte. Bald kam der Diesel auch im Pkw, dort allerdings nagelte er noch lange wie ein Trecker. Genau das sollte sich mit dem Common-Rail-System ändern, denn es machte den Selbstzünder nicht nur sportlicher und sparsamer, sondern dank flexibler Voreinspritzung auch leise. Entstanden war es bei der italienischen Entwicklungsgesellschaft Elasis, Fiat und Mercedes waren die Pilotkunden. Doch allen Beteiligten war klar: Wenn einer das Common Rail industrialisieren konnte, dann Bosch. Also übernahm Bosch den Entwicklungsstand von Elasis, mitsamt Patenten und Mannschaft.
Auch die Ingenieure waren unter Hochdruck
Doch auf dem Weg zur Serienreife war noch viel zu tun, und jetzt wird die Erfolgsgeschichte zur Geschichte von Franz Fehrenbach und seiner Mannschaft. Denn Fehrenbach war 1997 Leiter des Diesel-Geschäfts, als das Common Rail über viele Rückschläge hinweg auf den Markt gebracht wurde. Seinerzeit arbeiteten nicht nur die Systeme, sondern auch die Ingenieure unter Hochdruck. Einige von ihnen fuhren jeden Morgen um vier von Feuerbach ins Werk Bamberg. Dort waren die Prozesse noch nicht stabil. In den Injektoren zum Beispiel musste das Düsennadelspiel auf Mikrometer genau gefertigt werden, und die Ausbeute in der Vorserie war zunächst nicht einmal halb so hoch wie erwartet. Also analysierten die Entwickler die Muster über Nacht, um die Testergebnisse über Tag in die Fertigung einzubringen.
Jahre später, Fehrenbach war inzwischen CEO geworden, sollte er diesen Einsatz als Beispiel für das besondere Stehvermögen von Bosch nehmen. Was er allerdings auch erkennen sollte: Der Härtetest vor der Markteinführung war nur eine Vorschau auf eine noch größere Krise, die sich im Jahr 2005 einstellte. Es war die sogenannte Buchsenkrise: Auf den Lagerbuchsen der Common-Rail-Pumpen degradierte die Gleitschicht, Stahl rieb sich an Stahl, die Lagerung begann zu fressen. Bosch musste die Produktion stoppen – und damit auch die Produktion der wichtigsten Kunden lahmlegen, der größte anzunehmende Unfall für einen Zulieferer der Automobilindustrie. Die Nerven lagen blank, erst nach zwei bis drei Wochen war die Ursache gefunden. Sie lag in der Teflon-Schicht, die bei einem Zulieferer des Zulieferers von Bosch falsch gefertigt worden war. Bis der Fehler behoben war, blieb der Druck der Kunden jedoch groß, gefühlt größer als 2 000 bar, wie Fehrenbach wiederum Jahre später sagen sollte.
Jahre des Wachstums folgten, viele Jahre mit dem Common Rail als Perle im Geschäft von Bosch – produziert an zwölf Standorten in zehn Ländern. Doch der Diesel geriet in die Kritik, nachdem Automobilhersteller Abgaswerte manipuliert hatten, auch mit Software von Bosch. Das Unternehmen leitete eine unabhängige Untersuchung ein, in enger Kooperation mit den Behörden. Zugleich führte es einen ethischen Kodex für seine Entwickler ein.
Auch technisch ist der Diesel rehabilitiert. Seine Emissionen so weit abzusenken, dass sie die Luftqualität nicht mehr wesentlich beeinträchtigen – das war nochmals eine große Ingenieursleistung. Und doch ist der Dieselanteil unter den Neuzulassungen in Europa zuletzt zurückgegangen. 2035 könnte er gegen Null gehen, wenn Neuwagen gemäß den europäischen Klimaschutz-Plänen nur noch null CO₂ ausstoßen dürfen. Damit liefe der Dieselmotor aus – es sei denn, er wäre mit synthetischen Kraftstoffen selbst klimaneutral unterwegs.
Gut zu wissen, dass Bosch bereits mit der Elektromobilität wächst. Nicht die Erfolgsgeschichte geht zu Ende, sondern auf ein Kapitel folgt das nächste.
Autor: Ludger Meyer