Nicht nur Wasser für Riad: Bosch im Mittleren Osten
Die Aktivitäten von Bosch umfassen zahlreiche Länder in der Region des Mittleren Ostens, vom Libanon bis zu den Vereinigten Arabischen Emiraten. Heterogener könnte der Markt kaum sein – politisch, historisch und religiös.
Die ersten Verträge mit Partnerfirmen in der arabischen Welt schloss Bosch bereits 1922 in Jaffa und Damaskus sowie 1924 in Teheran. Es folgten rund ein Dutzend Handelspartnerschaften zwischen 1953 und 1961. Dieser Handel bildete die Grundlage für die heutige Regionalgesellschaft Robert Bosch Middle East.
Seit mehr als einem Jahrhundert ist Bosch schon im Nahen Osten und Mittleren Osten mit Bosch-Technik vor Ort. Aber an Fahrt gewann das Geschäft erst ab Ende der 1950er Jahre, insbesondere auf der arabischen Halbinsel, mit dem Beginn des Wirtschaftsbooms durch die Erdölförderung und dessen schnell wachsender Abnehmerschaft durch Verkehr und Industrieproduktion weltweit. Das betraf vor allem das Geschäft mit Bosch-Ersatzteilen für Fahrzeuge und mit Elektrowerkzeugen für den professionellen Einsatz auf Baustellen.
Die rasch wachsenden Aktivitäten führten Anfang der 1970er Jahre bei Bosch zu der Managemententscheidung, für die Region einen so genannten „Mr. Bosch“, einen Gebietsbeauftragten für die Region des Nahen und Mittleren Ostens, zu bestimmen. Neben dem Geschäft mit jenen Produkten, für die die Partner in der Region und vor allem auf der arabischen Halbinsel Bosch vorwiegend kannten, gab es auch Projekte von Bosch mit regionalen Partnern, die halfen, die Infrastruktur weiterzuentwickeln.
Ein besonders markantes Projekt war damals die Fertigung von Komponenten für rund 200 Kilometer lange Trinkwasser-Rohrleitungen, die unterirdisch aus dem Wasia-Quellgebiet durch die Wüste nach Riad, die Hauptstadt Saudi-Arabiens, verlegt wurden. Da die beiden parallel verlaufenden Leitungen mit einem hohen Druck von rund 30 bar betrieben wurden und 40 Pumpstationen zur Druckerhöhung benötigten, war es die knifflige Aufgabe von Bosch, 800 speziell konstruierte und besonders druckbeständige Rohrleitungsstücke zum Verbauen rund um die Pumpstationen zu entwickeln. Am Ende waren es 90 Sattelzüge mit 550 Tonnen Last, die Bosch im Herbst 1979 von Reutlingen nach Antwerpen lieferte, wo die Komponenten auf ein Frachtschiff zur Versendung nach Saudi-Arabien verladen wurden.
Vertrauen ist alles: Geschäftsbeziehungen im Mittleren Osten
In dieser Ära hatte der 1971 eingesetzte Gebietsbeauftragte die Aufgabe, die Aktivitäten des Unternehmen in den arabischen Ländern zu koordinieren und als Ansprechpartner für alle größeren Kunden und Handelspartner zur Verfügung zu stehen, damals noch von einem Büro in der deutschen Bosch-Zentrale aus. Vor allem in der arabischen Welt war es aber nicht beliebt, verschiedene, und schlimmer noch, rasche wechselnde Ansprechpartner zu haben. Auch wenn er nicht vor Ort war, der Gebietsbeauftragte war Kontinuum für Kunden und Kenner ihrer Bedürfnisse.
Will man langfristig mit arabischen Geschäftspartnern erfolgreich sein, ist eine feste Beziehungsebene unerlässlich. Das Geschäft ist im arabischen Raum dabei auch eine persönliche Angelegenheit. Geschäftspartner sollen letztendlich auch Freunde sein, auf die man sich verlassen kann.
Ein gleichbleibender Ansprechpartner wird dabei sehr geschätzt, und generell ist im dortigen Geschäftsleben der persönliche Kontakt sehr wichtig. Es müssen Netzwerke aufgebaut, gepflegt und erweitert werden. Aber ein Partner am Telefon in Deutschland, weit weg von der arabischen Halbinsel und den Staaten im Nahen und Mittleren Osten, das zeigten die Erfahrungen der Bosch-Nahostbeauftragten der vergangenen Jahrzehnte, war keine wirklich überzeugende Dauerlösung.
So kam Bosch nach einer Phase der Vertiefung der Geschäftsbeziehungen in den 1990er Jahren zu dem Schluss, dass es sinnvoll sei, eine Präsenz für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Ostens in Dubai aufzubauen. Bosch begann verstärkt Wachstumschancen in der Region aufzugreifen und die lokalen Vertragspartner, mit denen Bosch zum Teil schon seit den 1960er Jahren zusammenarbeitete, stärker zu unterstützen.
2008 gründete Bosch die Robert Bosch Middle East FZE mit Sitz in Dubai. Hier laufen seitdem die Fäden der Aktivitäten im Nahen und Mittleren Osten zusammen - in 14 Ländern von der Levante über die arabische Halbinsel und dem Irak bis hin nach Pakistan und Afghanistan. Dieses Bekenntnis zu regionaler Präsenz war ein wichtiges Zeichen an die Geschäftspartner und Kunden von Bosch in der Region.
Zu den unternehmerischen kommen auch karitative Aktivitäten, die das gesellschaftliche Engagement von Bosch in der arabischen Region unterstreichen: So spendete Bosch der Mtein Technical School im Libanon technische Ausrüstung für eine Autowerkstatt. In einem Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit ermöglicht das den Schülern eine bessere praktische Ausbildung – für bessere Berufschancen.
In den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens begannen Bosch-Handelspartner nach Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Verkauf von Bosch-Produkten, damals ausschließlich Zündsysteme für Automobile. Das Unternehmen musste großenteils neu aufgebaut werden und nutzte die Chance für den Aufbruch auf die arabische Halbinsel. Aus den Gehversuchen vor rund einem Jahrhundert entstand das heute bestens strukturierte Vertriebsnetz mit dem „Regional Headquarters“ in Dubai und vier „Representative Offices“ in der Gesamtregion.
Autor: Dietrich Kuhlgatz