Internationalisierungsstrategie nach dem Ersten Weltkrieg
Zurück auf den Weltmarkt
Hätte Robert Bosch nicht frühzeitig erkannt, dass das damalige Deutsche Reich allein für den Absatz seiner Produkte nicht ausreichte und es notwendig war, eine Internationalisierungsstrategie zu entwickeln, wäre sein Unternehmen wohl nie so erfolgreich geworden. Der Verkauf und bald auch die Produktion von Magnetzündern außerhalb Deutschlands war einer der entscheidenden Erfolgspfeiler von Bosch. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 erwirtschaftete Bosch fast 90 Prozent des Umsatzes jenseits deutscher Grenzen – ein Wert der bis heute unerreicht ist.
Mit Qualität gegen die Herausforderungen der Internationalisierung
Nach dem verlorenen Krieg wandte sich das Unternehmen daher mit seiner Internationalisierungsstrategie wieder dem globalen Markt zu. Außer der fortschreitenden Inflation, die in Deutschland den Export begünstigte, waren die Startbedingungen für den Prozess der Internationalisierung jedoch alles andere als günstig. Bosch sah sich in den Jahren nach dem Kriegsende im November 1918 auf internationaler Ebene mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Patente und internationale Niederlassungen waren in den so wichtigen Automobilmärkten USA, Frankreich und Großbritannien bedingungslos enteignet und verkauft worden. Den Status als nahezu einziger Magnetzünder-Hersteller hatte Bosch dadurch verloren – es waren zahlreiche Konkurrenten entstanden. Außerdem war die Stimmung in der Bevölkerung dieser Märkte nicht unbedingt freundlich einem deutschen Unternehmen gegenüber, auch wenn die Qualitätsprodukte von Bosch nach wie vor von vielen Kunden weltweit sehr geschätzt wurden.
Mit dem Ziel, die Erinnerung an die gewohnte Qualität der Produkte wiederzubeleben, stellte Bosch auf internationalen Messen seine Produktpalette aus. Dabei waren die Automobilmessen des Jahres 1920 noch klein im Umfang. Meist wurde, wie in Prag und Zürich, ein einzelner Tisch bestückt und dekoriert. Es ging aber auch nicht nur um die Leistungsschau, viel wichtiger war es, wieder in Kontakt zu internationalen Kunden zu kommen.
An alte Kontakte anknüpfen
Dazu kam der Wiederaufbau der internationalen Vertriebsorganisation, und dies war eine sehr schwierige und zugleich doch überlebensnotwendige Aufgabe für die Unternehmensstrategen. Begünstigt durch die hohe Inflation in Deutschland war der Export von Produkten ein wichtiges Instrument um die wirtschaftlichen Nachkriegswirren abzumildern. Doch wie sollte man beginnen? Die Führung bei Bosch ging dazu über, an alte Kontakte außerhalb Deutschlands anzuknüpfen. In den Ländern, die im Weltkrieg neutral geblieben waren, saßen noch dieselben alten Vertreter, mit denen man vor dem Krieg zusammengearbeitet hatte, und die gerne wieder bereit waren Bosch-Produkte zu verkaufen. Während des Krieges war dies wegen mangelndem Nachschub nicht mehr möglich gewesen. 1920 erneuerte Bosch den Kontakt zur dänischen Firma Jebsen & Jessen, die auch vor dem Krieg schon Bosch-Produkte in China vertrieben hatte. Auch Illies & Co. ging im selben Jahr wieder in Japan als Vertriebspartner an den Start und belieferte auch erstmals den koreanischen Markt gleich mit. In der Schweiz gründete Bosch mit der Robert Bosch S.A. Zürich/Genf die erste eigene Gesellschaft nach dem Krieg.
Neuanfang in England und Frankreich
Weitaus schwieriger erwies sich die Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen in den Staaten der ehemaligen Kriegsgegner. Doch auch hier hatten die freundschaftlichen persönlichen Verbindungen, die Bosch geknüpft hatte, die Zeit überdauert. Ein Beispiel ist England, wo einer der ehemaligen Leiter der Bosch Magneto Company in London, John Arthur Stevens, ein eigenes Unternehmen gründete, das ab 1920 Bosch-Produkte im Vereinigten Königreich vertrieb. Der Umfang war bescheiden – nur rund fünf Prozent der gesamten Magnetzünder-Produktion konnte in Großbritannien abgesetzt werden. Aber es war immerhin ein Anfang – und ein bedeutender Schritt für die erneute Internationalisierung des Unternehmens. Dennoch war es nicht leicht, auf dem britischen Markt deutsche Produkte zu vertreiben. Die Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“ berichtete immer wieder über antideutsche Ressentiments in England, die nach vier Jahren grauenhafter Kriegshandlungen zwar nachvollziehbar waren, aber auch wirtschaftlichen Interessen dienten. Die einheimische Magnetzünder-Industrie sollte geschützt werden und der Konkurrent aus Stuttgart diente als ein beliebter Sündenbock in der nationalen Presse. Ähnlich war es in Frankreich, wo Fernand Péan 1920 die Vertretung für Bosch-Produkte übernahm.
Internationale Vertretertagung
Eine Ermutigung erhielten die beiden Herren aus Frankreich und England im Juni 1920 in Stuttgart, als 28 Vertreter aus 14 Ländern in der Bosch-Zentrale zur ersten Vertretertagung nach dem Krieg zusammentrafen. Der „Bosch-Zünder“ berichtete nicht ohne Stolz: „Mit ganz wenigen Ausnahmen sind sie alle wiedergekommen, die alten Freunde und Vertreter, von denen die meisten schon lange Jahre vor dem Krieg mitgeholfen haben, unseren Namen in der Welt in gutem Klang zu halten.“ In vier vollgepackten Tagen wurden die internationalen Partner über Preispolitik und Verkaufsplanung, Umgang mit Wettbewerbern und Produktionskapazitäten sowie technische Neuheiten informiert. Auf die Abschlussfeier, die zu den Highlights der Tagungen vor dem Krieg gehört hatte, wurde mit Rücksicht auf die schrecklichen Ereignisse der Kriegszeit verzichtet. Stattdessen gab es ein Abendessen mit Robert Bosch, der die internationalen Vertreter mit einer „ernsten aber zuversichtlichen Ansprache“ begrüßte.
Internationale Präsenz sowie weltumfassende Vertriebs-, Produktions- und Entwicklungsverbünde waren für Bosch immer ein zentrales Element der Unternehmensstrategie. Mit Hilfe dieser Internationalisierungsstrategie konnte Bosch die Kriegsfolgen und Krisenzeiten überwinden. Das klare Bekenntnis zu internationalem Handel und zur Globalisierung formulierte der Unternehmensgründer Robert Bosch schon 1932 so: „Der Erdball ist nach allen technischen Fortschritten auf allen Gebieten so klein geworden, dass kein Volk daran denken kann, sich von den anderen abzuschließen. Die Verflechtungen sind trotz allem so weit gediehen, dass nur Weltwirtschaft getrieben werden kann.“
Autorin: Christine Siegel