„Passengers“: Künstliche Intelligenz in der Raumfahrt
Wie Maschinen in Zukunft Fehler erkennen könnten
Im Science-Fiction-Blockbuster „Passengers“ verfügt das Raumschiff Avalon über eine Technologie, mit der die Besatzung anhand eines Hologramms Defekte feststellen kann. In der Realität arbeiten Bosch-Experte Samarjit Das und sein Team daran, solche Frühwarnsysteme für Maschinen aller Art tatsächlich umzusetzen. Die ersten Tests finden dort statt, wo auch „Passengers“ spielt: im Weltraum.
Künstliche Intelligenz im Science-Fiction-Abenteuer „Passengers“
In „Passengers“ liegt der Traum vom Leben auf dem fernen Planeten „Homestead II“ einen 120 Jahre andauernden Raumflug von der Erde entfernt. Die 5 000 Menschen an Bord des Raumschiffs Avalon ruhen während der Reise dorthin in einem sogenannten Hyperschlaf, in dem sie nicht altern. Unterwegs gerät das Raumschiff in ein Asteroidenfeld und wird durch eine Kollision schwer beschädigt. Als eine der Folgen wacht der Mechaniker Jim 90 Jahre zu früh aus dem Hyperschlaf auf und weckt die Passagierin Aurora.
In einer Schlüsselszene des Films verschaffen sich die beiden Passagiere mithilfe eines Bordcomputers, der Systemfehler lokalisiert und über ein Hologramm veranschaulicht, einen Überblick über den Zustand des Raumschiffes. Durch den Input der intelligenten Geräte haben sie nun die Möglichkeit, sich und die restlichen Mitreisenden zu retten.
Mit SoundSee erforschen wir das Potenzial, durch eine Geräuschanalyse frühzeitig Fehler auf der Internationalen Raumstation zu erkennen.
Warum im All die besten Testbedingungen herrschen
Ein Test im Weltraum: Das von Bosch entwickelte akustische Sensorsystem mit dem Namen „SoundSee“ wird bald auf die bemannte internationale Raumstation ISS geschickt. Anhand von Geräuscherkennung soll die Technologie bei den entscheidenden Maschinen an Bord herausfinden können, ob die Raumschifftechnik reibungslos funktioniert. Das System sendet die aufgenommenen Geräusche zur Erde an ein Forscherteam von Bosch. Die Wissenschaftler werten die Informationen dann anhand einer von Künstlicher Intelligenz (KI) gestützten Soundanalyse aus und untersuchen, welche Rückschlüsse mithilfe von SoundSee auf den Zustand der Maschinen gezogen werden können. Das Ergebnis steht jedoch noch wortwörtlich in den Sternen – SoundSee wird auf der ISS zum ersten Mal getestet: „Die Kooperation mit der NASA ist eine große Chance für die Weiterentwicklung von SoundSee“, sagt Samarjit Das.
In der Raumstation wird die SoundSee-Technologie von einem kleinen NASA-Roboter namens Astrobee transportiert. Im Vergleich zu Roboterdrohnen auf der Erde schwebt Astrobee fast lautlos. Die Schwerelosigkeit an Bord der ISS macht die stille Fortbewegung erst möglich und sorgt für den entscheidenden Testfaktor: „Auf der Erde sind Drohnen zu laut und kommen als Träger von Soundanalyse-Tools deshalb nicht in Frage. Die Nebengeräusche könnte SoundSee nach aktuellem technischem Stand nicht herausfiltern“, erklärt Dr. Das.
Hörproben für eine Künstliche Intelligenz
Im besten Fall sind die Audiodaten aus der ISS so gut, dass durch sie eine Künstliche Intelligenz trainiert werden kann. Deren Algorithmus lernt dann anhand der spezifischen Sounds die typischen Geräuschmuster einer defekten Maschine. Oder noch besser: Wie eine Maschine klingt, die defekt zu werden droht – und wo genau die Ursache des Problems liegt. „Durch den Einsatz von SoundSee wollen wir Fehler so früh wie möglich verorten“, sagt Dr. Das. Wenn SoundSee die Testphase erfolgreich übersteht, könnten zukünftig auch unbemannte Raumstationen von der Technologie profitieren, indem Maschinenfehler ohne menschliches Zutun direkt vor Ort erkannt werden. Eine solche Technologie hätten auch unsere Helden aus „Passengers“ gut gebrauchen können. Dann wäre der drohende Systemausfall früher erkannt worden und weniger Maschinen hätten einen Defekt erlitten.
Vom Weltall auf die Erde
Obwohl SoundSees Technologie zur Tiefenaudioanalytik bisher nicht auf der Erde eingesetzt wird, haben die Wissenschaftler auch hier bereits konkrete Verwendungszwecke im Blick. Sie reichen von der vorausschauenden Wartung in Industrie 4.0-fähigen Anlagen bis hin zu intelligenten Fahrzeug- und Gebäudetechnologien. So kann die Technologie beispielsweise charakteristische Geräusche wie etwa das Zerbrechen einer Glasscheibe erkennen und auf kritische Situationen aufmerksam machen. Im Mobilitätsbereich arbeitet das SoundSee-Team mit Bosch-Ingenieuren unter anderem daran, dass selbstfahrende Autos eigenständig auf die Sirenen von Rettungs- oder Polizeiwagen reagieren können und die Fahrbahn eigenständig frei machen.
Dr. Samarjit Das,
leitender Forschungsmanager am Bosch Forschungs- und Technologiezentrum in Pittsburgh, USA
Samarjit Das hat bis 2006 Elektro- und Kommunikationstechnik am Indian Institute of Technology Guwhati (IITG) in Indien studiert. Danach promovierte er in Elektro- und Computertechnik an der Iowa State University und war Postdoktorand am Robotics Institute der Carnegie Mellon University in Pittsburgh. Seit 2013 ist er bei Bosch tätig und leitet eine Forschungsgruppe, die sich auf die Schnittstelle zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und dem Internet der Dinge (IoT) konzentriert. Samarjit Das ist leitender Projektleiter für die SoundSee-Mission auf der International Space Station (ISS) und leitet unter anderem die Zusammenarbeit mit der NASA.
Fazit
Science-Fiction oder Science-Fact? Das SoundSee-System visualisiert einen Raumschiff-Defekt zwar nicht durch ein Hologramm, wie es im Film „Passengers“ zu sehen ist, könnte aber durch eine Audioanalyse zur präzisen Fehlererkennung und -lokalisierung beitragen. Wenn die Bosch-Entwickler ihre Pläne erfolgreich umsetzen können, lässt sich daraus sogar eine Künstliche Intelligenz schaffen, die frühzeitig vor maschinellen Problemen warnt. SoundSee soll dann nicht nur im Weltraum, sondern auch hier auf der Erde eingesetzt werden.