Real Driving Emissions: Neue Messmethoden für bessere Luftqualität
Beschleunigungen, Steigungen, Stop-and-Go, höhere Geschwindigkeiten – seit 1. September 2017 sind Emissionsmessungen bei Pkws unter realen Bedingungen Pflicht. Im Interview erklärt Bosch Antriebsentwickler Dr.-Ing. Andreas Kufferath, was es mit RDE auf sich hat.
Herr Kufferath, was bedeutet RDE und was ändert sich dadurch?
Emissionsmessungen unter realen Betriebsbedingungen, sogenannte Real Driving Emissions oder kurz RDE, leisten einen erheblichen Beitrag für eine bessere Luftqualität. Zudem können damit Unterschiede zwischen den Emissionswerten, die auf dem Prüfstand ermittelt werden, und Emissionswerten, die sich durch Fahrprofile auf der Straße ergeben, verringert werden. Denn stärkere Beschleunigung wird genauso berücksichtigt wie Steigung, Stop-and-Go oder auch höhere Geschwindigkeiten. Um einen technologischen Übergang zu gewährleisten, wurden vom EU-Parlament sogenannte Konformitätsfaktoren beschlossen. Ab 2017 (Phase 1 von RDE) beträgt dieser CF 2,1 – das heißt, ein Fahrzeug darf zunächst 2,1 Mal so viel emittieren wie bei der Prüfstandsuntersuchung. Dafür wird das Fahrzeug jedoch im realen Straßenverkehr bewegt, wo es beispielsweise die oben beschriebenen Fahrsituationen gibt, die zu mehr Emissionen führen können. Ab dem Jahr 2020 (Phase 2 von RDE) sinkt der Konformitätsfaktor auf 1,5.
Wann werden die neuen Messmethoden für welche Modelle eingeführt?
Bosch hat die Einführung von RDE-Messungen in den vergangenen Jahren aktiv unterstützt. Die erste Phase von RDE ist bereits am 1. September 2017 gestartet. Seitdem müssen neue Pkw-Typen (leichte Nutzfahrzeuge wie beispielsweise Transporter) die RDE-Vorgaben zwingend erfüllen.
Vorgaben für eine RDE-Fahrt
Dauer der Messfahrt: 90-120 Minuten
Streckenführung: 1/3 Stadt, 1/3 Landstraße, 1/3 Autobahn, Gesamsteigung: (<1200 m/100 km)
Temperaturen: Zwischen -7° C und 35°C
Wie verlässlich sind die PEMS-Messungen?
Bisher werden Fahrzeuge zur Überprüfung der Erfüllung gesetzlicher Anforderungen ausschließlich im Labor getestet. Die Technik, die für solche Messungen benötigt wird, füllt etwa einen Industriecontainer. Zum Vergleich: Das PEMS-Messgerät (PEMS steht für Portable Emissions Measurement System, tragbares Emissionsmesssystem) hat etwa die Maße eines großen Umzugskartons. Grundsätzlich bietet die neue Messtechnik den Vorteil, dass Emissionen direkt im realen Umfeld am Auspuff gemessen werden und nicht in einer Laborsituation. Die Messung am fahrenden Auto hat gewisse Messungenauigkeiten, denen die Gesetzgebung Rechnung trägt: Der Konformitätsfaktor bedeutet, dass ein Fahrzeug beispielsweise in der zweiten RDE-Phase 1,5 Mal so viel emittieren darf, wie beim Test auf dem Prüfstand. Aufgeschlüsselt wird in der Regelung folgendermaßen: 1 + 0,5. In den 0,5 sind die Messunsicherheiten des PEMS-Systems enthalten. Diese sind auch der Messmethode geschuldet, denn in einer realen Fahrsituation fehlen die reproduzierbaren Bedingungen eines Labors.
RDE auf dem Prüfstand – der Fakten-Check
Sind damit Unterschiede zwischen Labor und Realität passé?
Mit RDE misst man Emissionswerte von Partikeln und Stickoxiden im Realverkehr. Der Verbrauch (CO₂) wird weiterhin auf dem Rollen-Prüfstand ermittelt. Derzeit ist in Diskussion, auch den Verbrauch mit Tests im realen Fahrverkehr zu messen. Hier sind jedoch sehr viele Fragen zur Vergleichbarkeit der Daten offen. Gerade bei den RDE-Messungen gilt: Es gibt viele Rahmenbedingungen auf der Straße, die nicht standardisiert werden können. Wetterverhältnisse, Topografie und persönliche Fahrweise können sich je nach Testfahrt stark unterscheiden.
Welche Folgen hat die Einführung für die Verbraucher?
Die Abgasmessungen im Straßenverkehr bringen den Kunden mehr Klarheit und Zuverlässigkeit. Zudem beschleunigen die RDE-Vorgaben eine Flottenerneuerung mit besonders schadstoffarmen Euro-6-Fahrzeugen und damit die Verbesserung der Luftqualität.
Müssen Autos technisch nachgerüstet werden?
Eine Nachrüstung des Fahrzeugbestandes muss nach aktueller Sachlage nicht erfolgen. Die RDE-Regelung der ersten Stufe gilt für alle Neufahrzeuge mit einer Typzulassung ab dem 1. September 2017 – also für alle Fahrzeugmodelle, die nach dem 1. September 2017 neu auf den Markt kommen. Bei bereits zugelassenen Fahrzeugen, beispielsweise Gebrauchtwagen, ergibt sich durch RDE, Stand heute, keine Änderung.
Entwicklung der Emissionen in Deutschland 1990 bis 2015
Dr.-Ing. Andreas Kufferath
Dr.-Ing. Andreas Kufferath, Bereichsleiter bei der Robert Bosch GmbH, ist für den Entwicklungsbereich Antriebsstrang-Technologien verantwortlich. Davor war er Abteilungsleiter im Bereich Gasoline Systems, Combustion System Engineering.