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Energiemanagementsystem

Smart Charging – Intelligentes Laden von Elektrofahrzeugen

Algorithmen sorgen für optimiertes Laden innerhalb einer bestehenden Ladeinfrastruktur

smart-charging

Neue Herausforderungen für die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge

Der Anteil von Elektrofahrzeugen steigt und wird dies auch in Zukunft tun. Das ist gut für die Umwelt und im Sinne der Nachhaltigkeit – stellt aber Betreiber einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge vor neue Herausforderungen. Beispiel Firmenparkplatz: Was, wenn die Mitarbeiter in Zukunft alle mit E-Autos zur Arbeit kommen, diese dann morgens an der Ladesäule anschließen – und alle Autos gleichzeitig anfangen, zu laden? Wie können solche Spitzenlasten vermieden werden? Und wie kann sichergestellt werden, dass das Energiemanagementsystem Strom aus erneuerbaren Quellen wie beispielsweise Photovoltaik-Anlagen effizient nutzt – und damit nicht nur einen weiteren Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet, sondern auch die Stromkosten massiv reduziert? Mit genau diesen Fragen setzen sich Alexander Koch und Moritz Bräuchle zusammen mit ihrem Team bei Bosch Research auseinander: Sie entwickeln das Cloud-basierte Energiemanagementsystem Smart Charging, das ein optimiertes und intelligentes Laden von Elektrofahrzeugen ermöglicht.

Alexander Koch

Alexander Koch

Aktivitätenverantwortlicher für Smart Charging am Forschungscampus Renningen, Deutschland
  • Alexander Koch ist Forschungsingenieur und Wirtschaftingenieur für Kraftwerkstechnik und seit fünf Jahren bei Bosch Research tätig. Im Projekt Smart Charging befasst er sich insbesondere mit dem Flottenladen.
Moritz Bräuchle

Moritz Bräuchle

Aktivitätenverantwortlicher für Smart Charging am Forschungscampus Renningen, Deutschland
  • Moritz Bräuchle ist seit insgesamt neun Jahren in verschiedenen Bereichen von Bosch tätig, unter anderem in der Entwicklung von Solarwechselrichtern. Der Forschungsingenieur betrachtet das Forschungsfeld Smart Charging insbesondere bezogen auf das Einzelelektrofahrzeug.

Optimiertes Laden dank Smart Charging

Alexander, Moritz, was unterscheidet euer Smart Charging von anderen Ansätzen zum Laden von Elektrofahrzeugen?

Alexander: Das Projekt Smart Charging ist aus einem bereichsübergreifenden Projekt hier bei Bosch hervorgegangen. Damals haben wir uns vor allem mit der Frage beschäftigt: Wie kann intelligentes Laden zu Hause aussehen? Das bedeutet: Wie kann der Ladeprozess im Auto gesteuert werden, wie kommunizieren wir mit dem Energiemanagementdienst des Nutzers? Daraus hat sich Anfang 2020 unser aktuelles Projekt entwickelt, bei dem der Fokus nicht mehr auf dem einzelnen Haushalt und der direkten Kommunikation mit dem Fahrzeug liegt. Vielmehr arbeiten wir bei Smart Charging Enterprise an einem Cloud-basierten Energiemanagementsystem, das die bestehende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge nutzt und über das Ladesäulenbetreiber-Backend direkt mit der Ladesäule kommuniziert. Wir wollen ein nach bestimmten Parametern optimiertes Laden von Elektrofahrzeugen erreichen – im Einzelfall, insbesondere aber auch im Enterprise-Anwendungsfall mit einer Vielzahl von Fahrzeugen, dem sogenannten Flottenladen.

Moritz: Wir arbeiten an einem Framework, um ein Lademanagement zu etablieren und entwickeln Algorithmen, mit deren Hilfe sich ein für einen Standort optimaler Ladeplan erstellen lässt. Optimal heißt in diesem Zusammenhang, dass er nicht nur den Bedarf der einzelnen Fahrzeuge betrachtet, sondern auch Faktoren wie den aktuellen und zukünftigen Strompreis, die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien etwa aus Photovoltaik-Anlagen sowie die allgemeine Last des Standortes. So können Spitzenlasten und hohe Strompreise vermieden werden – und außerdem ein Beitrag zur Nachhaltigkeit eines Standortes geleistet werden.

Smart Charging Residential:

Im Vergleich zu Smart Charging Enterprise hat sich das Projekt „Smart Charging Residential“, das innerhalb der Bosch-Gruppe als Innovationsprojekt gefördert wurde, mit der Frage beschäftigt, wie intelligentes Laden zu Hause aussehen kann. Der daraus entwickelte Service Smart Charging Residential wird zwischenzeitlich als Cloud-basierter Service von Bosch Connected Mobility Solutions im Paket mit anderen Services für ein bequemes Ladeerlebnis als Softwarelösung für OEM vermarktet. Der Fahrer kann sein Elektrofahrzeug bequem mit eigenem Solarstrom laden. Zudem besteht die Möglichkeit, das Ladeverhalten an dynamische Strompreise anzupassen und das Fahrzeug dann zu laden, wenn der Strompreis niedrig ist. Dadurch erreicht der Nutzer eine Halbierung der Stromrechnung und nutzt die dreifache Menge seines selbst erzeugten Stroms gegenüber dem herkömmlichen Laden.

Bosch Smart Charging

Was macht Smart Charging so nachhaltig?

Moritz: Im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor haben Elektrofahrzeuge ein großes Potential, künftig zur Reduktion schädlicher CO2-Emissionen beizutragen. Dieses können sie aber nur dann voll entfalten, wenn sie mit sauberer Energie geladen werden. Es nützt nur wenig, wenn sie selbst keine Emissionen ausstoßen, das Laden von Elektrofahrzeugen aber mit Strom aus einem Kohlekraftwerk geschieht. Deshalb betrachtet der Algorithmus, den wir für Smart Charging entwickeln, neben dem Strompreis und den Standortlasten explizit auch die effektive Nutzung von erneuerbaren Energien. Ein Beispiel: Aktuelle Ladesysteme regeln den aktuellen Zeitpunkt – die Sonne scheint, wir haben eine bestimmte Menge Energie und können diese über alle Fahrzeuge auf einem Firmenparkplatz verteilen. Unser Ziel ist es aber, Prognosen abzugeben, sprich: in die Zukunft zu schauen: Ein Fahrer muss beispielsweise bald weg, sein Fahrzeug muss vorher vollgeladen sein. Allerdings zieht gerade eine Wolkenfront auf, die Energie aus der Photovoltaikanlage wird dementsprechend abnehmen. Solche Daten und Prognosen bis zu sieben Tage im Voraus nehmen wir in unser Modell auf und können so im besten Fall ein optimiertes Laden zu den günstigsten Preisen und mit dem höchsten Anteil an erneuerbaren Energien erreichen. Dies ist für die Flottenplanung von Unternehmen natürlich entscheidend.

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Das Smart Charging Team ermittelt die Ladeenergie.

In Unternehmensflotten dominieren noch immer Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, genauso auf den Mitarbeiterparkplätzen. E-Autos sind nur vereinzelt zu finden. Braucht es da überhaupt ein so ausgeklügeltes Energiemanagementsystem für das Flottenladen?

Alexander: Natürlich – wenn nicht heute, dann spätestens übermorgen. Unsere Forschung ist in die Zukunft gerichtet, in der deutlich mehr Elektrofahrzeuge unterwegs sein werden. Und schon heute sehen wir ja: Der zunehmende Anteil von Elektrofahrzeugen, der im Sinne der Nachhaltigkeit sehr gut ist, stellt die Betreiber einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge aber auch Unternehmen vor große Herausforderungen.

Immer mehr Menschen kommen mit einem E-Auto zur Arbeit und wollen es dort über den Tag aufladen. Auch zum Einkaufen fahren immer mehr Menschen mit dem Elektrofahrzeug, wollen auch hier laden. Zudem gibt es zunehmend Bus- oder Logistikflotten, die elektrisch unterwegs sind. Wir brauchen also Parkplätze mit einer entsprechenden Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Und diese darf nicht einfach allen Fahrzeugen sofort alle Energie zur Verfügung stellen – sonst würde es zu Spitzenlasten kommen, die neben hohen Stromkosten und gegebenenfalls geringem Anteil an erneuerbaren Energien auch dazu führen könnten, dass der jeweilige Standort überlastet wird – und beispielsweise eine Sicherung herausfliegt.

In dynamischen Systemen muss auch ein Energiemanagementsystem sehr flexibel reagieren können – so wie Smart Charging.

Alexander Koch, Aktivitätenverantwortlicher Smart Charging
Alexander Koch, Aktivitätenverantwortlicher für Smart Charging

Und wie können solche folgenschweren „Fehlverteilungen“ durch eine Ladeinfrastruktur vermieden werden?

Alexander: Wir entwickeln gerade ein Energiemanagementsystem, das diesem Problem durch eine größtmögliche Flexibilität in der Energienutzung vorbeugt – indem wir etwa das Nutzerverhalten prognostizieren. Beispielsweise soll unser Algorithmus über die Nutzer-IDs lernen, welche Ladeanforderungen diese jeweils haben. Der Algorithmus weiß nicht, wer diese Nutzer sind und wo sie hinfahren – aber er soll wissen, was sie brauchen. Ähnlich ist es in großen Busdepots oder bei der Flottenplanung von Logistikunternehmen: Hier handelt es sich um sehr dynamische Systeme, in denen die Fahrzeuge teilweise im Minuten- oder gar Sekundentakt ankommen und abfahren. Das Energiemanagementsystem muss flexibel reagieren, um immer schnellstmöglich einen optimalen Ladeplan bereitstellen zu können. Wir arbeiten an genau solch einer Lösung, die mit großen, dynamischen Systemen fertig wird und mit nur kleinen Anpassungen vielseitig einsetzbar ist, sei es in Busdepots, Logistikunternehmen oder auch auf Unternehmensparkplätzen. Hier an unserem Bosch-Standort Renningen könnten wir beispielsweise ein Energiemanagementsystem testen, bei dem sich das intelligente Laden von Elektrofahrzeugen an den Lastgang des Standorts anschmiegt um Spitzenlasten zu vermieden.

Smart charging with peak reduction and spot market optimization

Fleet size

1000 EVs with connection times from 07:00 - 16:00 o'clock

Varying charge power

(~3-50 kW); daily demand per EV 6 kWh

Coworker EVs parked

on the parking lot may produce peak loads for companies

smart charging with peak reduction and spot market optimization

Neben dem Flottenladen ist das optimierte Laden von Einzelelektrofahrzeugen der zweite Schwerpunkt im Projekt Smart Charging. Um welche Verbesserungen geht es euch hier?

Moritz: Auch das Laden von einzelnen Elektrofahrzeugen kann natürlich effizienter gestaltet werden, kostengünstiger und mit dem größtmöglichen Anteil an erneuerbaren Energien. In unserer Forschung geht es also beispielsweise darum zu schauen, welche Funktionen wir vorab, während des Ladevorgangs, durchführen können, um hinterher im Betrieb Energie zu sparen. Ein Beispiel dafür ist die Klimatisierung von Fahrzeugen, etwa das Heizen der Innenraumkabine. Bei klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist das auch gar kein Problem: Hier wird zum Heizen die Abwärme aus dem Motor genutzt, die ohnehin vorhanden ist. E-Fahrzeuge erzeugen aber kaum Verlustwärme. Wenn wir also mit Smart Charging das Nutzerverhalten des Fahrers prognostizieren können, können wir die Energie, die zum Vorheizen der Kabine notwendig ist, kurz vor Abfahrt aus dem Stromnetz ziehen – und so zu einer Reduzierung des Energieverbrauchs während der Fahrt beitragen. Intelligentes Laden mit einem Energiemanagementsystem wie Smart Charging nutzt also auch bei Einzelfahrzeugen die Energie aus dem Stromnetz in der klugen Voraussicht, die Energie der Batterie für später zu sparen.

Moritz Bräuchle, Aktivitätenverantwortlicher für Smart Charging

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