Im Dauerlauf: Produkterprobung vor 100 Jahren
Heute wissen die Experten bei Bosch, wie man Technik unter härtesten Bedingungen prüft. Es gibt spezielle Kältekammern, aber auch tropische Bedingungen lassen sich simulieren. Aber jedes Unternehmen hat klein angefangen, so auch Bosch – 1901 hatte die Firma gerade einmal 45 Mitarbeiter und war aus einer engen Mietwerkstatt gerade erst in die erste eigene Fabrik umgezogen.
Und so gab es vor 100 Jahren bei Bosch natürlich auch noch keine eigenen Teststrecken am Polarkreis für den Wintertest wie heute. Daher unternahmen die Bosch-Direktoren höchstpersönlich im Winter die Testfahrten, zum Beispiel in den nahe gelegenen Schwarzwald.
In seinen Erinnerungen schreibt Entwickler Hermann Steinhart: „Zwischen Weihnachten und Neujahr 1913/14 mussten wir einige Sechs-Tage-Versuchsfahrten mit drei Wagen unternehmen, hauptsächlich lange Nachtfahrten. Die Herren Honold und Klein hatten ihre eigenen Wagen zur Verfügung gestellt.“
Mit dem einzigen Bosch-Firmenwagen, einem Napier, waren es drei mit Mechanikern und Ingenieuren in Winterkluft vollbesetzte Wagen. Man fuhr am Rhein bis Köln, durch den Harz, durchs Fichtelgebirge, den bayrischen Wald und schließlich über Nürnberg wieder zurück nach Stuttgart.
Der Bericht schildert die kalten Fakten der Fahrt: Im Fichtelgebirge „trafen wir große Schneemassen an. Nur einer unserer Wagen war mit Schneeketten versehen, so dass wir an den anderen die Reifen mit Seilstücken umbinden mussten, um überhaupt voranzukommen.“ Und damit nicht genug: Alle Wagen waren offen – und die Insassen dem Wetter vollends ausgesetzt.
Ähnlich abenteuerlich erging es auch August Kazenmaier, einem Entwicklungsleiter, der 1911 zu Bosch kam. Kazenmaier, ein leidenschaftlicher Motorradfahrer, übernahm zu Beginn der 1920er Jahre das Gebiet der Motorradbeleuchtung – bis dahin ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema. Er entwickelte unter anderem den Lichtmagnetzünder C1 zur Serienreife – nicht jedoch, ohne das Produkt auch persönlich getestet zu haben. Bei Wind und Wetter jagte er sein Motorrad über die schlechten Straßen: „Das Wasser lief mir zum Kragen meiner Lederausrüstung hinein und an den Stiefeln wieder hinaus. Ich musste alle 50 bis 100 Kilometer den Keilriemen kürzen und verbrauchte drei Riemen (…). Die Lichtanlage hatte aber einwandfrei und ohne jeden Defekt gearbeitet.“
Autor: Dietrich Kuhlgatz