Ein ausgewogenes Zusammenspiel
Erfolgsfaktoren für einen gelungenen Wandel in der Bosch-Geschichte
Nicht nur unsere Welt befindet sich im Umbruch. Auch Unternehmen selbst sind immer wieder dem Wandel unterworfen – so wie Bosch. Das birgt Chancen und Herausforderungen. Vor allem fordert es aber Flexibilität sowohl vom Unternehmen als auch von seinen Mitarbeitern. Die Mitarbeiter von heute sind jedoch nicht die ersten Boschler, die vor großen Umbrüchen stehen. Vor 100 Jahren sind genauso wie heute hohe Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit die Schlüsselfaktoren zum Erfolg.
Umbrüche haben in der Bosch-Geschichte zahlreich und vielfältig stattgefunden, blicken wir nur einmal 100 Jahre zurück in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die alte Welt war untergegangen, die Wirtschaft befand sich in der Restrukturierung – sowohl in Bezug auf Produktionsmethoden als auch in Bezug auf Arbeitsbeziehungen. Bosch musste erkennen, dass nicht nahtlos an die Zeit vor 1914 anknüpft werden konnte, sondern dass die neuen Rahmenbedingungen auch neue Wege erforderten.
Bis 1914 waren Automobile weltweit überwiegend mit Bosch-Magnetzündung ausgestattet gewesen. Doch mit dem Krieg veränderte sich alles. Der Absatz auf internationalen Märkten war nicht mehr möglich und starke Konkurrenz außerhalb Deutschlands entstand. Und Bosch musste auf diese schwindenden Absatzzahlen und wachsenden Wettbewerber reagieren, die bald Produkte bei gleicher Qualität billiger anbieten konnten.
Zurück an die Spitze
Dabei setzte man auf vier bewährte Strategien, die sich bis dahin als erfolgreich erwiesen hatten, und die sich auch in den Jahrzehnten bis heute immer wieder bewährt haben: Innovation, Qualität, Internationalität und Produkt-Vielfalt.
Dass Bosch im Bereich Automobil nicht nur die Magnetzündung beherrschte, zeigten die kurz vor dem Krieg ins Portfolio aufgenommenen Produkte Licht, Anlasser und Generatoren. Das Unternehmen hatte sich dank vieler innovativer Mitarbeiter zu einem Spezialisten auf dem Gebiet der Automobiltechnik entwickelt. Dieses Know-how nutzte Bosch bei neuen Produkten wie Scheibenwischern und elektrischen Hörnern.
Vom Selbstverständnis der Mitarbeiter
Was den Mitarbeitern in dieser Zeit zu schaffen machte, waren die veränderten Ansprüche an die Arbeit, die Produkte und damit an das Selbstverständnis als Boschler. Um im internationalen Wettbewerb zu bestehen, musste das Unternehmen und seine Produktion agiler werden. In den ersten Jahrzehnten waren die Produkte von höchster Qualität mit Zeit und Sorgfalt und in Einzelfertigung hergestellt wurden. In den 1920er Jahren war dies nicht mehr effizient genug, um im Wettbewerb zu bestehen. Die Qualität sollte nicht leiden, es musste aber schneller, rationeller und arbeitsteiliger produziert werden. Für gut ausgebildete Facharbeiter bedeutete dies eine Umstellung, wurde doch dabei nicht mehr ihr ganzes Können abgerufen. Das Fließband wurde zum Sinnbild der Veränderung, und die Mitarbeiter fragten sich, ob Produkte, die damit hergestellt werden, genauso gut sein konnten wie vorher? Manche Boschler durchliefen nicht nur wirtschaftliche, sondern auch Sinnkrisen. Hilfreich bei der Überwindung solcher war eine gewachsene Unternehmenskultur mit Werten, die Robert Bosch selbst vorlebte, wie Vertrauen in die Mitarbeiter sowie die Förderung von Eigeninitiative und Zusammenarbeit. Schon damals konnten Mitarbeiter über den Austausch in der neu gegründeten Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“ einerseits immer wieder informiert und ermuntert werden, um den Weg des Wandels mitzugehen. Andererseits war es ihnen umgekehrt möglich, ihre Sorgen und Bedenken zu adressieren – ein Wechselspiel das heute über den Bosch Zünder Online und seine Kommentarfunktion stattfindet.
Wege in die Zukunft
Mitte der 1920er Jahre wurde deutlich, dass alle Wandlungsfähigkeit zu kurz gedacht ist, wenn ein Unternehmen ausschließlich von einem Wirtschaftssegment abhängig ist, das in die Krise gerät. Das lässt sich heute genauso beobachten wie vor 100 Jahren. Als die Automobilproduktion 1925 einbrach, begann Bosch zu begreifen, dass die Abhängigkeit vom Automobil reduziert und „noch andere Eisen ins Feuer“ zu legen waren, wie Robert Bosch sagte. Neue Produktfelder sollten erschlossen werden, auf denen das Unternehmen sein reiches Know-how einbringen konnte und solche, denen die Zukunft gehörte. Die Aufnahme der Produktion von Kühlschränken, Elektrowerkzeugen, Warmwassergeräten für Bad und Küche, und Autoradios wurde dadurch erleichtert, dass Bosch eigenes Können mit dem anderer – wie Blaupunkt und Junkers – verknüpfte. Während Bosch heute in das Internet of Things und Künstliche Intelligenz investiert, war vor 100 Jahren die junge Fernsehtechnik ein Zukunftsmarkt, den das Unternehmen erfolgreich auf seine Agenda nahm.
Offen für Neues
Verkaufswunder statt Stimmungstöter
Man muss nicht immer alles gut finden, was neu ist, aber man sollte offen sein – am Ende zahlt es sich vielleicht aus. Robert Bosch lehnte beispielsweise anfänglich die neuartigen Radioapparate ab. Er hatte bei einem Treffen mit Bekannten erlebt, wie sich die Gäste um das Gerät versammelten und jede Unterhaltung erstarb. Entnervt verließ er das Treffen. Nichtsdestotrotz stieg seine Firma wenig später in den zukunftsträchtigen Radiomarkt ein, der für viele Jahrzehnte ein Erfolgsträger wurde.
Von den 1930ern zu den 2030ern
Zu Beginn der 1930er Jahre hatte Bosch sein Portfolio grundlegend verändert, die Produktion profitabler gemacht und sich vom reinen Automobilzulieferer zu einem diversifizierten Elektrokonzern mit zukunftsweisender Technik gewandelt. Während andere Unternehmen von der Weltwirtschaftskrise stark beeinträchtigt wurden, erlebte Bosch einen vergleichsweise milderen Einbruch.
Beigetragen hatte das Zusammenspiel zwischen einem weitsichtigen Management, flexiblen und engagierten Mitarbeitern, dem unbedingten Innovationswillen und –können, Internationalität sowie einer besonderen Unternehmenskultur, die das Bindeglied dafür darstellt. Auch wenn die Rahmenbedingungen heute andere sein mögen, können diese gewachsenen Erfolgsfaktoren einen gelungenen Wandel begleiten und Bosch erfolgreich in die 2030er Jahre tragen.
Autorin: Christine Siegel