Zukunft der Robotik: Das Zeitalter von Mensch und Maschine
Im Gespräch mit dem Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence
30.09.2020
Welchen Platz werden Roboter in unserer Gesellschaft einnehmen? Sami Haddadin ist sich sicher: Auch wenn maschinelle Intelligenz immer mehr an Bedeutung gewinnt – die nächste Generation der Künstlichen Intelligenz stellt immer den Menschen in den Mittelpunkt.
Prof. Dr. Sami Haddadin befasst sich fast täglich mit Robotern. Als Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence, die an die Technische Universität München angeschlossen ist, leitet er eine Gruppe von Wissenschaftlern, die sich mit neuen technologischen Möglichkeiten befassen. Trotzdem – oder gerade deswegen – rückt Haddadin die humanoiden Maschinen bei seiner Zukunftsbetrachtung erst einmal in den Hintergrund. „Es ist äußerst wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung zu stellen", sagt er. Was er damit meint: „Roboter sollten unsere Werkzeuge sein. Sie sollten eine Erweiterung unserer Fähigkeiten sein und unseren Zwecken dienen."
Woran es Robotern mangelt
Anders gesagt: Roboter sollen den Menschen entlasten, damit dieser sich aufs Menschsein konzentrieren kann. So nennt Haddadin beispielsweise den Gesundheitssektor als Anwendungsgebiet. Hier können Roboter dafür sorgen, dass Pflegekräfte mehr Zeit für das Zwischenmenschliche haben, etwa, um mit Patienten zu reden. Denn abstraktes Denken in Kombination mit sensomotorischen Fähigkeiten, wie es den Menschen auszeichnet, ist Robotern nicht möglich. Bei ihnen ist die Sensomotorik – also das Zusammenspiel von Sinnen und Motorik – laut Haddadin meist auf dem Niveau von dreijährigen Kindern. Daran, so der Forscher, werde sich auch in Zukunft nichts grundlegend ändern: „Wir werden im Zeitalter von Mensch und Maschine leben und nicht im Zeitalter von Mensch oder Maschine."
Maschinelle Intelligenz als Werkzeug
Haddadin verdeutlicht die Rolle von Robotern anhand eines einfachen Vergleichs: "Wenn man einen Hammer entwirft, muss man davon ausgehen, dass eine Hand ihn hält.“ Ein Hammer, der nicht von einer Hand geführt werden kann, ist demnach kein nützliches Werkzeug. Und ein Roboter, der von einem Menschen nicht bedient und beherrscht werden kann, ist kein nützlicher Helfer. „Im Wesentlichen versuchen wir, Werkzeuge zu entwickeln, die die virtuelle mit der physischen Welt verbinden", so Haddadin.
Der Roboter, das Werkzeug, macht so die Interaktion der KI mit der physischen Welt möglich – und damit auch die Interaktion mit dem Menschen, dem Befehlserteiler. Diese menschenzentrierte KI nennt Haddadin maschinelle Intelligenz. Sie wird somit physisch existent – und im Gegensatz zu reinen Softwareanwendungen sozusagen eine KI zum Anfassen. Roboter mit sensiblen Greifarmen sind da nur der Anfang. Einen Universalroboter, der alle Fertigkeiten in sich vereint, werde es nach Ansicht des Experten jedoch so rasch nicht geben. „Die Komplexität der Aufgaben ist dafür noch zu hoch“, so Haddadin.
Ängste abbauen
Aber nicht nur technologisch, sondern auch gesellschaftlich gibt es laut dem Experten noch viel zu tun. Die Vorbehalte vieler Menschen gegenüber Robotern und Künstlicher Intelligenz müssen abgebaut werden. „Wir müssen uns bezüglich der Begründung, warum wir diese Vision einer KI-Gesellschaft verfolgen, sehr für die Aufklärung unserer Gesellschaft und der allgemeinen Öffentlichkeit einsetzen. Welchen Nutzen bringt sie der Gesellschaft?" Mit der Beantwortung dieser Frage und einer sogenannten Robotik-Bildung will er Ängsten gegenüber Robotern begegnen.
Der direkte Kontakt zählt
Wie soll das in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden? „Wir müssen erklären, wie wir Roboter richtig nutzen und die Gesellschaft frühzeitig in die Forschung einbinden“, sagt Haddadin. Er denkt dabei auch daran, schon Kinder in der Schule mit dem Thema vertraut zu machen. Die Robotertechnologie muss seiner Ansicht nach eng auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmt sein – das ermögliche Nähe und helfe bei der Verständigung. Haddadin setzt dabei vor allem auf direkte Erfahrung: Wer den Umgang mit Robotern selbst erlebt hat, so hofft er, verliert den übermäßigen Respekt vor ihnen. Denn am Ende bleibt der Roboter in der Vision von Haddadin eben immer ein Werkzeug – und vor Hammer und Co. fürchten sich Menschen schließlich auch schon lange nicht mehr.
Interview mit Sami Haddadin, Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence
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Im Fokus
Sami Haddadin, 39
Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence
Der Mensch ist der Maschine weit überlegen. Nur er kann abstraktes Denken und sensomotorische Fähigkeiten scheinbar mühelos miteinander verbinden.
Prof. Dr.-Ing. Sami Haddadin ist seit 2018 Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence sowie Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz an der TU München. Er promovierte an der RWTH Aachen über humanoide Roboter und war von 2014 bis 2018 Lehrstuhlinhaber des Instituts für Regelungstechnik an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover und Gastwissenschaftler an der Stanford University. Haddadin ist Träger des Deutschen Zukunftspreises und des Leibnizpreises.
Fazit
Für Sami Haddadin sind Roboter immer ein Werkzeug des Menschen, eine Art verlängerter Arm. Der Mensch behält dabei immer die Kontrolle. Um die Vorteile von Robotik und maschineller Intelligenz voll auszuschöpfen, müssen laut Ansicht des Experten aber zuerst noch Vorbehalte abgebaut werden. Das funktioniere am einfachsten durch Aufklärung und persönliche Erfahrung.